friedhelm2008

Jahresrückblick 2008

(Friedhelm)

Liebe Verwandte, Freunde und Bekannte!

Ein Jahr randvoll gepackt mit vielen schönen Erlebnissen und wertvollen menschlichen Begegnungen verging wie im Fluge! “Eins, zwei, drei im Sauseschritt saust die Zeit, wir sausen mit“ lautet ja Wilhelm Buschs bekannter Vers. So ist es auch uns ergangen!

Nach einer überdurchschnittlich guten Regenzeit präsentierte sich unser regennasses Land von seiner schönsten Seite – der Busch und das “Veld” saftig grün!

Anläßlich unseres 42. Hochzeitstages machten wir Ende Januar einen Ausflug an unsere nördliche Küste über Henties Bay bis zu dem Anglerparadies Meile 72 (115 km von Swakopmund) und dann 18 km landeinwärts an einer verlassenen Rosenquartzmine vorbei bis zu der ebenfalls schon vor Jahren - 1972-stillgelegten Strathmore Zinn Mine. In dem alten Minenschacht hat sich ein hellgrüner, klarer

Salzsee von ca. 50m Durchmesser gebildet – ohne jegliche Algen – sehr einladend Von Ludwiger 1597

zu einem Bad. Die Erklärung für die Abwesenheit von Algen liegt wohl an dem

hohen Salzgehalt des Wassers, nl. 28% alle löslichen Salze, wovon 24% Kochsalz (Natriumchloried) ist.

Im Februar fuhr ich meine erste offizielle große Namibia Tour (ca. 4000 km) mit dem besonders sympathischen und interessierten Ehepaar Jürgen und Irmgard Bernlöhr aus Pommertsweiler (Stuttgarter Raum). Es war für mich ein Vergnügen, mit ihnen durch unser regennasses, grünes Land zu fahren – zum Glück mit einem guten, “vernünftigen” Allrad-Wagen. So konnten wir die vielen langen, sehr aufgeweichten Matschstrecken und teilweise stark laufenden Riviere problemlos bewältigen. Ein namibischer Farmer wurde sogar mit seinem Geländewagen von den Wassermassen eines laufenden Riviers mitgerissen – mit tödlichem Ausgang!

Im März konnten Renate und ich an der tollen “5 Rivers Safari Tour” in den Caprivi, Botswana, Zambia und Zimbabwe teilnehmen. Ich hatte diese Tour in einem Quiz gewonnen. Der volle Tourbericht erscheint im Internet auf unserer Website http://www.ludwiger.com/5riverssafari2008.

Somit komme ich zu meiner April-Tour Tour - insgesamt 5 400 km über 22 Tage: Die Teilnehmer : Ehepaare Karsten + Renate Krüger, Horst + Marlies Spreckels und Henning + Elisabeth Toffolo-Haupt - alle aus dem Hamburger Raum und zwischen 55 und 70 J. Sie waren durch frühere gemeinsame Unternehmungen - insbesondere Segeltouren - sehr gut befreundet und es herrschte immer beste Stimmung. Ich fuhr in einem Toyota-Quantum (14 Sitzer) Kleinbus - leider kein Allrad! In großen Zügen ging die Tour von Windhoek gen Süden auf eine Kalaharifarm, über Mariental (Hardap-Damm), Keetmanshoop zum Fischfluss-Canyon, runter bis an den Oranje. Wo der Fischfluss in den Oranje mündet, war durch die tosenden Fluten die Auf-, und auch die Abfahrt der Fischflussbrücke weggerissen und die Brücke selbst auch schwer beschädigt worden. So mußten wir einen großen Umweg über Seeheim, Aus nach Lüderitz fahren. Weitere Stationen waren dann u.a. Schloß Duwisib, Sossusvlei, Swakopmund, das Kreuzkap, Twyfelfontein mit dem versteinerten Wald, Kavita Lion Lodge und dann kam der Hammer (!).

Über Otjovasandu sollte es durch West-Etoscha - ungefähr 170 km - nach Okaukuejo gehen. Für diese Strecke hatte ich eine Sondergenehmigung, da dieser Teil von Etoscha nicht für Touristen zugänglich ist, also auch sehr selten befahren wird. Wir starteten morgens mit reichlich Wasser (ca.35 l), Bier und Proviant für 2-3 Tage. Nach der guten Regenzeit - die Etoschapfanne war über 70% mit Wasser gefüllt, wie es hier überhaupt noch niemand erlebt hat - stand überall das Gras sehr hoch. Vielfach konnte man gar keine Einzäunung mehr sehen. Autospuren gab es keine und außer einem unverständlichen Betonklotz “Staff only”, auch keine Wegweiser. So genossen wir die herrliche Fahrt / Landschaft mit seinem Wildreichtum - wir sahen sogar viele der sonst eher seltenen Bergzebras. Ohne es zu merken, geriet ich von der zugewachsenen Pad (Route) auf eine ebenso zugewachsene Brandschneise ungefähr 40 km nördlich und beinahe parallel zu unserer eigentlich richtigen Pad.

Gegen 15 Uhr mußten wir durch ein längeres, nicht allzu tiefes Wasser. Das ging noch gut. Überhaupt "fielen" wir auf der Brandschneise immer wieder in tiefe Elefantenspuren-Löcher, was ein Weiterkommen sehr erschwerte. Sehen konnte ich von der Pad, bzw. den Löchern in dem hohen Gras sowieso fast nichts! Nach einigen weiteren Kilometern kamen wir an eine große, tiefe, lehmige, häßliche Wasserstelle, die ich am Rand zu umfahren versuchte, was mir aber nicht ganz gelang, da an den Seiten Büsche und Bäume standen. Überhaupt war die ganze Gegend völlig aufgeweicht. So versackten wir mit den beiden linken Rädern hoffnungslos im schwarzen Morast! Vom Otjovasandu-Tor bis zu dieser Stelle hatten wir immerhin schon 140 km zurückgelegt. Fast unbemerkt sackte das Auto bis auf das Chassis ab. Ich dachte so bei mir selbst: " Shit happens " ! ! ! Ich zog so nach und nach "alle Register", aus dem Schlamm und unserer misslichen Lage heraus zu kommen: Äste vor oder hinter die Reifen in die Fahrspur zu legen, das gesamte Gepäck ausladen, allesamt schieben, Luft ablassen und den Wagen mit dem Wagenheber hoch zu hieven. Hierfür mußten erst ein paar handfeste Baumstämme / Äste herbei geschafft werden, was allerdings garnichts brachte, da der Wagenheber mitsamt Unterbau im Matsch versank! Dazu meinte es die Sonne sehr gut, mehr als uns lieb war! Mir tropfte der Schweiß unentwegt vom Kinn. Dazu mußte ich meinen Leutchens noch versichern, daß sich keine Tierchen, wie Hyänen, Löwen, Schlangen, usw. für uns interessieren würden - und natürlich die ewige Frage: "Was, wenn wir nicht mit eigener Kraft herauskommen ?" Suchen würde uns zumindest die nächsten zwei Tage niemand, da uns bis dahin kein Mensch ernsthaft vermißt hätte. - Als letzte Hoffnung hatte ich noch unser 2. Ersatzrad im Auto. Da wir nach 2 Stunden Schwerarbeit noch keinen Schritt weiter gekommen waren, griff ich nach dem sprichwörtlichen "Strohhalm". Wir gruben neben dem versackten Hinterrad in dem zähen Lehm eine kreisrunde Kuhle, in die wir das Ersatzrad flach hineinlegen konnten. Die Tiefe war nötig, so daß ich den Wagenheber mit seinem Fußstück auf dem Ersatzreifen aufsetzen und das andere Ende am oberen inneren Rand der Felge des versackten Rades ansetzen konnte. " Hierdie plan het gewerk "(das funkionierte). So, wie ich den Wagenheber hochkurbelte, kam das Rad so weit aus dem Schlamm, daß wir stabile Äste unter das Rad legen konnten. So konnte ich die Kutsche - nunmehr nach 3½ Stunden - aus dem Dreck heraus bekommen - unter großem Gejubel der ganzen Mannschaft! Ich habe ihnen ein großes Lob und Dank ausgesprochen, daß alle ohne Murren tüchtig mitgeholfen haben, unermüdlich Äste zum Unterlegen heran zu schleppen. Mittlerweile war es stockdunkel. Alles Gepäck und das Ersatzrad (!) wurde wieder verstaut und weiter ging die Fahrt - allerdings nur für ein paar Kilometer. Dann fiel das Scheinwerferlicht plötzlich auf ein "herrliches" großes riedumsäumtes Vlei, in das die Spur mitten hinein führte!!! Da hatten wir alle jedoch die Nasen gestrichen voll! Einstimmig beschlossen wir, umzukehren und die bereits schon bei Tageslicht recht abenteuerlichen 145 km zum Otjovasandu-Tor zurückzufahren! Meine geheime große Sorge war jetzt, ob das Benzin reichen würde - diese Sorge mußte ich allein tragen! Unterwegs, zufällig auf einem guten Stück Pad, wo ich eigentlich viel zu schnell fuhr, mußte ich in letzter Sekunde " vollbremsen", da ich einem großen Elefantenbullen beinahe mit unserer Breitseite voll in sein Hinterteil geschliddert wäre! Nicht nur Katzen, auch alle Elefanten sind in der Nacht grau! Gegen 23h30 kamen wir vor das - natürlich verschlossene - Otjovasandu-Tor.

Nun will ich Euch aber vor einer weiteren Erzählung in Einzelheiten verschonen. Über Umwege konnte ich den Hauptwildschutzwart für den westlichen Etoschapark in dieser Samstagnacht erreichen, der nach 1½ Stunden, mit zwei Geländewagen und 4 Mann Verstärkung, auch tatsächlich kam. Wenig später rollte von der anderen Seite des Tors ein Polizeifangwagen mit 2 Polizisten heran, die der Wildwart angefordert hatte. Alle diese Herren dunkler Hautfarbe waren der Meinung, jetzt einen großen Fang gemacht zu haben. Sie freuten sich, daß ihnen endlich ein Wilddieb ins Netz gegangen sei. Sie glaubten mir kein Wort und lasen mir nicht weniger als dreimal die gesamten Parkregeln vor. Da ich mich weigerte, die 75 km zu ihrer Polizeistation in Kamanjab mitzukommen, berieten allesamt in geheimer "Sitzung" hinter einem Auto, was sie mit mir machen sollten. Sie einigten sich auf eine "Spotfine"(sofortige Zahlung) Strafe von N$ 300-00. Da sie aber kein Quittungsbuch bei sich hatten, war ich nicht bereit, Ihnen N$ 300-00 zu schenken. Unter Grollen schlossen sie mir dann das Tor auf und meinten, daß ich noch von ihnen hören würde. Dieses Palaver hatte weitere zwei Stunden gedauert! Ich muß zugeben, daß ich gegen Ende der Unterhandlungen - nach allem Erlebten - mit meiner Geduld ziemlich am Ende war! Meine guten Freunde aus unseren Turniertagen, Uwe und Tammy Hoth von der Kavita Lion Lodge, hatte ich bereits nach Mitternacht angerufen und gefragt, ob sie uns noch in dieser Nacht aufnehmen könnten. Ihre Reaktion war einfach umwerfend freundlich - ja, jeder Zeit! Ich sagte Uwe, daß, wenn ich in einer Stunde nicht angekommen sein sollte (ohne Benzin), er mir bitte entgegenfahren sollte. Wir schafften es tatsächlich bis 400m vor dem Farmhaus! Als ich mich zu Fuß auf den Weg machte, kam er mir schon mit einer Taschenlampe entgegen. Es war mittlerweile 03h30! Sie hatten für uns sieben eine große Platte mit leckeren belegten Broten vorbereitet. Zwei Flaschen Wein wurden geköpft. Es wurde ein Festschmaus - die Welt hatte uns wieder! - Das war das Ende unserer Odyssee!

Ein Wildwart, der am nächsten Tag unserer Spur mit einem Geländewagen nachgefahren war, sagte mir, daß Löwen unseren “Arbeitsplatz in der Nacht inspiziert”(frische Spuren) hätten!! Wie ich später erfahren habe, waren wir auf unserer anfänglichen Brandschneise in den Unterlauf des Omuramba Onaiso geraten, der ca. 40 km nördlich, parallel zu der richtigen Pad, von Norden kommend in ost-westlicher Richtung fließt. Ein Omuramba ist ein mit Gras und Bäumen bestandenes flaches Flußbett, das nur gelegentlich in sehr guten Regenjahren Wasser führt.

Im Mai feierten wir Renates Geburtstag in der schönen Mount Etjo Lodge – als einzige Gäste – und wurden auch entsprechend verwöhnt!

Ebenfalls in diesem Monat mußte ich mich in Swakopmund einer Prostate- Biopsy mit Vollnarkose unterziehen, weil ich zu hohe PSA-Blutwerte hatte. Das Resultat war erfreulicherweise negativ. Da ich auch keinerlei sonstige Beschwerden hatte, flog ich unbekümmert nach Deutschland.

Für mich war eine sechswöchige Deutschland – Polenreise im Juni/Juli ein unvergessliches Erlebnis! Durch Reinhards Arbeit bei der Lufthansa in Kapstadt bekam ich alle internationalen, wie auch Deutschland-Inlandflüge zu einem verbilligten Tarif. Diese Tatsache und auch eine Einladung zu einer Ostlandreise (Ost- und Westpreußen, Masuren und Polen) von unseren guten Freunden, Siegfried und Elisabeth Lauer, gaben dazu den Ausschlag.

Erster Teil : Deutschlandreise

Nach einem angenehmen Nachtflug mit Air Namibia landete ich früh am 23. Juni in Frankfurt und wurde mit großer Freude von Michael und Regina Kaffka empfangen. Nach einem guten Frühstück starteten wir zu einer Tagestour durch den landschaftlich wunderschönen Odenwald. Ich war überwältigt von dem satten Grün der Wiesen und Wälder! Bald erreichten wir Erbach – das Zentrum der deutschen Elfenbeinschnitzerei. In dem Elfenbeinmuseum kam ich beim Betrachten der vielen filigranen Kunstwerke aus dem Staunen nicht ‘raus. Ein weiterer Höhepunkt war ein Besuch des Erbacher Schlosses mit einer imposanten Hirschgeweih-galerie, vielen alten Waffen, Rüstungen und tollen historischen Zimmern.

24.6. Per Flugzeug von Frankfurt nach Stuttgart in nur 30 Min, wo mich Elke und Wolfgang Kasper abholten. Mit Elke verbindet mich eine Freundschaft seit über 60 Jahren. Unsere beiden Familien fanden nach der Flucht aus dem Osten eine Unterkunft in dem Hause meines Großvaters in Detmold. – Elke und Wolfgang luden mich zu einem Imbiß in der idyllisch im Grünen gelegenen “Herrenmühle”(Nähe Adelberg+Plochingen) ein und führten mich anschließend in die ca. 800 Jahre alte, imponierende Stiftskirche in Faurndau. - Abends brachten sie mich nach Pommertsweiler zu Jürgen und Irmgard Bernlöhr, mit denen ich im Februar die “Regentour” in Namibia gefahren war. Die Wiedersehensfreude war groß!

25.6. Eine große Tagesrundfahrt durch die ländliche, leicht bergige, liebliche, grüne Landschaft. Unterwegs kamen wir durch Nördlingen (ca. 1100 Jahre alt!) mit der gewaltigen Georgskirche (ein Spätgotik-Bau), einer vollständig erhaltenen Stadtmauer, Stadttoren, Wachtürmen und vielen alten Giebelhäusern, was der Stadt ein mittelalterliches Gesamtbild gibt. In Dinkelsbühl bewunderte ich das St.Georg Münster und in Schwäbisch Hall die St.Michaels Kirche. Die meisten dieser gewaltigen, alten Bauwerke stammen aus dem 14./15. Jh. und sind noch sehr gut erhalten.

Obwohl der Tag recht heiß, mit 34°C und schwül – anstrengend - war, sahen wir uns abends noch das EM-Fußballspiel Deutschland-Türkei an, das Deutschland mit 3 : 2 knapp, mit dem Entscheidungstor erst in der 90. Minute, gewinnen konnte!

26.6. Früh startete Jürgen wieder mit mir in die Umgebung - herrliche Wälder, Wiesen und Kornfelder! In einer Reitschule sah ich zum erstenmal ein Pferd auf einem Fitness-Tret-Laufband gehen. “Armes Pferd”, dachte ich – wie gern hätte ich mit ihm einen Jagdgalopp ins Gelände unternommen! - Dann ging es nach Stuttgart, der baden-württembergischen Landeshauptstadt – sehr reizvoll gelegen in einem von Wald, Obstgärten und Weinbergen umrahmten Talkessel, der sich zum Neckar hin öffnet. Über diese schöne Stadt mit seinen vielen Sehenswürdigkeiten könnte ich lange berichten. Besonders beeindruckend für mich war die bombastische Grabkapelle hoch-oben auf dem Rotenberg, gebaut für die 1819 verstorbene Königin Katharina. Von dem kuppelgekrönten riesigen Rundbau bot sich ein wunderbarer Rundblick auf das Neckartal, die Weinberge und Wälder. - Eine Mittagspause in dem “Rotenberger Weingärtle” mit Käseplatte und den dazugehörigen “Vierteles” Wein sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen – vor allem, wenn man nicht selbst Auto zu fahren braucht!

Nächster Programmpunkt: Der 217 m hohe Fernsehturm mit Sendemast – das Wahrzeichen Stuttgarts, ein ästhetisches und architektonisches Meisterwerk! Es war der erste Fernsehturm der Welt aus Stahlbeton (1954-1956). Wir sausten per Lift mit 5 m pro Sek. in nur 36 Sek. zu den Aussichtsplattformen mit einem tollen Rundblick. - Hochoben in dem Panorama-Café trafen wir uns wieder mit Elke und Wolfgang bei Kaffee und Kuchen und es hieß – leider - Abschiednehmen von Jürgen.

Gerne denke ich an die Zeit bei Elke und Wolfgang (26.6. - 29.6.) in ihrer sehr schönen, geschmackvollen Wohnung in Tübingen zurück – angefangen mit dem abendlichen Spaziergang in den Blumen- und Gartenanlagen vom riesigen Barockschloß Ludwigsburg (15 km nördl. von Tüb.), das malerische Tübingen mit seinen vielen Fachwerkbauten, Schloss Lichtenstein, das Treffen mit Elkes Tochter Ulrike und ihrem goldigen kleinen Sohn Florian (3 J.) beim Restaurant “Schwärzloch” mit Blick über das Ammertal und dann das deliziöse Forellenessen im“Rösste“(Honau).

Für mich war die Trakehner Stuten- und Fohlenschau des Gestüts Marbach einer der ganz großen Höhepunkte! Allerdings “knallte” die Sonne aus einem wolkenlosen Himmel auf die Arena herab, und ließ das Thermometer auf 37° bei einer hohen Luftfeuchtigkeit ansteigen! Ich konnte mich nicht sattsehen an den wunderschönen, blank geputzten Trakehner Stuten, die in den verschiedenen Gangarten, selbst über kleinere Hindernisse, mit ihren anmutig herumspringenden Fohlen vorgeführt wurden!

Marbach ist idyllisch auf der Hochfläche der Schwäbischen Alb auf einem Areal von 850 ha gelegen und ist das älteste staatliche Gestüt Deutschlands mit einem Bestand von rund 520 Pferden. In dem Gestüt sind Zuchtpferde verschiedener Rassen vertreten, z.B. Trakehner, Vollblutaraber, Englisches Vollblut, Haflinger, Schwarzwälder und Süddeutsches Kaltblut.

Für Tübingen hatte ich mir drei volle Tage Zeit genommen – wie sich herausstellte, viel zu kurz! Elke und Wolfgang zeigten mir von dieser entzückenden Universitätsstadt (ca. 86 000 Einwohner, wovon etwa 26 000 Studenten sind) mit viel Hingabe die Sehenswürdigkeiten. Hier nur in Stichworten : Die malerische Altstadt mit vielen Fachwerk-bauten stufenartig über dem Neckarufer, Besuch der Stiftskirche zu St.Georg (15. Jh.) mit einem herrlichen Rund-blick oben vom Turm und unten im verlängerten Kirchenschiff viele Grabdenkmäler von Angehörigen des Württem-bergischen Fürstenhauses. Dann ging es zu dem Marktplatz, der das Zentrum der Altstadt bildet, mit dem bereits 1435 erbauten wunderschönen Rathaus. – Hier gab es zur Erfrischung eine leckere Schale voller süßer Erdbeeren! - Nachmittags besuchten wir die Klostersiedlung Bebenhausen (aus dem 12. Jh.), die “Perle des Schönbuchs”, ein großes Waldnaturschutzgebiet. - Von dem reichhaltigen Kulturangebot bekam ich auch abends eine kleine Kost-probe, auf einer Freilichtbühne das tragisch/komische, sehr gut inszenierte, Theaterstück “Das Gerüst”. - Am näch-sten Tag ging es nach einem Stadtbummel zu der Burg Hohen-Neuffen, der größten Burgruine Süd-Deutschlands, 335 m über dem Ort Neuffen gelegen. Diese gewaltige Burg wurde auf einem weißen Kalkfelsen am Steilhang der Schwäbischen Alb gebaut.

Ich könnte noch wesentlich mehr berichten, was die Beiden mir in der viel zu kurzen Zeit gezeigt haben. Ich bin ihnen sehr, sehr dankbar für ihren Einsatz!

Abends konnten wir uns das Fußball EM – Finale Spiel, Spanien : Deutschland nicht entgehen lassen, das Spanien ja verdient mit 1:0 gewann.

30.6. Morgens brachten mich Wolfgang und Elke nach Stuttgart zu meinem Flieger nach München, wo ich eine Stunde später bei schönstem Wetter landete. In München nahm mich mein (einziger) Vetter Illobrand v.L. in Empfang. Auch er hatte für mich ein volles Programm: Es ging gleich ins Zentrum der Stadt zu dem beliebten Marienplatz, auch Stachus genannt, mit der Mariensäule und dem imponierenden Neuen Rathaus (1867-1908), an dessen Turm ein Glocken- und Figurenspiel genau um 12:00 Uhr seine Runden dreht. Von hieraus konnte ich auch sehr schön das Münchener Wahrzeichen, die berühmte Frauenkirche (eingeweiht 1494) mit ihren beiden charakteristischen Türmen (99 m hoch) sehen. - Als Nächstes besuchten wir die sogenannte Residenz, eine ehemalige Schloßanlage, mit dem ausgedehnten, hochinteressanten Residenzmuseum. Besonders die Schatz-kammer birgt unglaubliche Kulturschätze, die zu den wertvollsten Sammlungen dieser Art in Deutschland zählen. Besondere Beachtung verdienen die Ahnengalerie, das Porzellankabinett und das Antiquarium. - Für die Residenz allein müßte man sich einige Stunden Zeit nehmen – und für München einige Tage!

Nachmittags ging es zu Illobrands Wohnung in Feldkirchen, wo ich seine Tochter Corinna, die sich gerade für ein Jura-Examen vorbereiten mußte, begrüßen konnte. - Gestaunt habe ich über sein Hobby, einer Sammlung von weit über 100 “alten” Zinnsoldaten, die Illo alle selbst sehr schön in ihren historischen, farbenprächtigen Uniformen angemalt hatte.

Als Diplom-Physiker hat er sich intensiv mit der Beobachtung und Erforschung der UFOs befasst und hat auch viele Veröffentlichungen und Vorträge zu diesem Thema gehalten. Da konnte ich natürlich überhaupt nicht mitreden. - Zum “Sundowner” fuhren wir zum Tegernsee, wo ich von einem Berg aus die entzückende Landschaft - die Alpenbergwelt, die Wälder, den See im Abendglühen - in vollen Zügen genießen konnte!

Als große Überraschung für mich ging es dann zu dem idyllischen und traumhaft schön gelegenen Berghotel Aschbach (früher ein bayrisches Bauernhaus), wo Illo für mich ein tolles Zimmer oben unter dem überstehenden Dach mit weitausladenem Balkon gebucht hatte. Die Aussicht auf die Almwiesen, Wälder und in der Ferne die Alpengebirgs-kette war einfach grandios! Noch nie habe ich so schön gewohnt! Die fröhlichen Kellnerinnen und ein guter Wein trugen sehr zu unserer guten Stimmung beim Abendessen – um 23 Uhr noch bei Tageslicht - bei!

1.7. - 2.7. Vormittags brachte Illo mich zum Flugplatz zu meinem kurzen Flug München – Leipzig (ca. 450 km in einer Stunde), wo mich Michael und BeateWerner sehr herzlich empfingen – ihres Zeichens Kristallographen. Das war für mich ein total neuer Begriff. In ihrem höchstspezialisierten Labor werden nicht nur Kristalle, sondern u.a. auch Edelmetalle auf Reinheit bzw. prozentuale Zusammensetzung untersucht. Während meines Laborbesuches wurden gerade Abwasserproben zur Prüfung hereingereicht. Ein Kristallograph muß ein enorm breit gefächertes Arbeitsgebiet beherrschen. Ich glaube, es gibt nur sehr wenige Experten in dieser Berufssparte. Die beiden hatten für mich ein sehr interessantes und vielseitiges Programm. In Stichworten :

Bootsfahrt auf der Pleiße, Besuch auf dem Gut Graßdorf mit Gestüt und Reitstall in Taucha, in Neukiritzsch die riesige Braunkohlengrube (noch in Betrieb im Tagebau), dem ausgedehnten Mark-Kleeberg-See (ehemalige Braunkohlengrube – 60 m tief!) mit großem Kanupark und hunderten von Segeljachten. Natürlich durfte ein Besuch im Auerbachs Keller nicht fehlen. Es ist die älteste historische Gastwirtschaft der Stadt und wohl die berühmteste Deutschlands. Goethes Faust soll diesen Keller 1525 tatsächlich besucht haben. Sein legendärer Fassritt ist dort auf zwei Wandgemälden verewigt.

Für mich war in Leipzig das Beeindruckendste das monumentale Bauwerk, ja das fast furchteinflößende Völkerschlachtsdenkmal. Vom 16. bis 18. Okt. 1813 tobte vor den Toren Leipzigs die größte militärische Auseinandersetzung des 19. Jahrhunderts. Die verbündeten Armeen Russlands, Österreichs, Preußens und Schwedens, insgesamt 225 000 Mann, schlugen die 160 000 Mann der Armee Napoleons und auch die auf seiner Seite kämpfende Rheinbund - und sächsische Armeen – die entscheidende Niederlage Napoleons! Insgesamt 130 000 Tote und Verwundete blieben auf dem Schlachtfeld! 1913, hundert Jahre später, wurde nach 15 Jahren Bauzeit das 91 m hohe Denkmal eingeweiht. Über der Krypta mit den 5,5 m hohen Masken sterbender Krieger erhebt sich eine 60 m hohe Ruhmeshalle mit insgesamt 324 Reiterfiguren in der Kuppel; außen an der Kuppel halten zwölf weitere, über 12 m hohe Kriegerfiguren und der Erzengel Michael Wache. Oben von der Plattform des Denkmals bietet sich ein prächtiger Ausblick über Leipzig und seine Umgebung.

Ein besonders erheiterndes Erlebnis war ein Nur-Männer-Kochabend und Abendessen (11 Mann), wozu mich Michael eingeladen hatte. Die verschiedenen Gänge des ausgedehnten Menüs wurden jeweils von 2 oder 3 Mann “zusammengebastelt”, wie z.B. eine besondere Suppe vorweg, einen Frischsalatteller, Pasteten, Beilagen, delikater Braten, eine ausgetüftelte Nachspeise (flambiert), Käseplatte und Mokka zum Ab-schluss. – Als großer Vorteil erwies sich, daß einer der Herren eine eigene Weinhandlung führt. Er hatte einige sehr gute Weine - zum probieren während des Essens - mitgebracht. Natürlich wurde mit Begeisterung tüchtig “probiert” und alle angebrochenen Flaschen “mußten” geleert werden. Fröhlich zogen wir erst nach Mitternacht nach Hause.

3. 7. Michael und Beate brachten mich nach Zschorlau (Nähe Aue und Schneeberg) ins Erzgebirge zu meinen guten Freunden früherer Touren in Namibia, Gerd und Evelyn Flemming, zu Kaffee, reichlichem Kuchen und einer großen Schüssel der leckersten Erdbeeren!

Das stark bewaldete Erzgebirge (ca. 150 km l. und 40 km br.) verdankt seinen Namen seinem früheren Erzreichtum (Silber, Blei, Zinn, Nickel, Kobalt, Kupfer, Eisen und sogar auch uranhaltige Erze). Auf seinem Kamm verläuft die Staatsgrenze zu Tschechien. Die Erschöpfung vieler Erzlagerstätten brachte Ersatzgewerbe wie Holzschnitzerei und das Klöppeln hervor. Bei stürmi-schem, aber sonnigem Wetter genossen wir die herrliche Aussicht auf die bergige, grüne Landschaft mit viel Wald, Wiesen, Korn- und Maisfeldern vom Fichtelberg, mit seinen 1214 m der höchste Gipfel im deutschen Teil des Erzgebirges. In Schneeberg, dem Zentrum erzgebirgischer Volkskunst, bewunderte ich die vielen, sehr künstlerisch gestalteten Schnitzereien wie Weihnachtspyramiden, Räuchermännchen und vieles mehr.

Zu einer delikaten Käseplatte mit einem kühlen Glas Wein kehrten wir ein im “Jagdhaus Waldidyll” – der Name konnte nicht treffender sein – herrlich inmitten hoher rauschender Bäume im tiefen Wald neben einer alten Ritterburg gelegen! Wir wanderten auch noch in den frisch und würzig duftenden Wäldern bis zu einem wirklich idyllisch gelegenen See. Der Abend in Gerds und Evelyns geschmack-vollem und gemütlichem Haus verging viel zu schnell bei u.a. nostalgischen Namibia-gesprächen.

5. 7. Gerd und Evelyn brachten mich nach Dresden zum Flugplatz. Ich flog über Frankfurt (Flugzeit 1 St. 5 Min.) nach Hannover (Flugzeit 50 Min.), wo mich mein alter Schulfreund aus den Detmolder Tagen, Klaus Stenzel , abholte. Wir hatten uns seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. So war die beiderseitige Wiedersehensfreude entsprechend groß! Wir fuhren erst auf der Autobahn über Rinteln nach Lemgo (gegründet 1190), der ältesten Stadt des Lipperlandes in Nordrhein-Westfalen. Besonders reizvoll sind in Lemgo die vielen alten Fachwerkbauten und schönen Giebelhäuser, die den Marktplatz umsäumen. Unser Tagesziel war Detmold, wo wir beide vor 55 Jahren das Leopoldinum (humanistisches Gymnasium) besuchten.

Direkt daneben stand früher das historisch wertvolle Patrizierhaus meiner Großeltern mit großem Obstgarten, wo wir nach der Flucht aus Westpreußen sieben glückliche Kinderjahre verlebten. Für mich sehr enttäuschend war die Tatsache, daß nicht mehr ein einziger Stein oder Baum von früher vorhanden war – nur ein großer, kahler, betonierter Parkplatz! Um so schöner war unsere nostalgische Stöbertour durch unsere alte ehrwüdige Penne am späten Nachmittag. Detmold ist eine alte Residenz- und Garnison-stadt des ehemaligen Fürstentums Lippe-Detmold am Nordhang des Teutoburger Waldes. Das fürstliche Residenzschloss wurde Mitte des 16. Jahrhunderts als Wasserschloss erbaut und gehört wohl zu den schönsten historischen Schlössern Norddeutschlands. Es war der Sitz der regierenden Grafen und Fürsten zur Lippe und blieb auch nach der Thronentsagung des letzten Fürsten, Leopold IV., 1918 Stammsitz der Familie. Ich hatte das große Glück, eine private Führung durch das Schloß mit Komteß Marianna, Tochter der letzten Fürstin zur Lippe zu bekommen. Die historische Ausstattung vermittelt einen unvergesslichen Blick in die Geschichte und Kultur vergangener Zeiten. Ich kam aus dem Staunen nicht heraus! Der Rote Saal mit barocken Deckengemälden, venezianischen Kron-leuchtern und wertvollem Porzellan diente als Empfangsraum. Über 300 Jahre alte riesige flämische Gobelins suchen in Europa ihresgleichen. In lebendigen Farben schildern acht große Wandteppiche die Taten und Feldzüge Alexander des Großen, wie im großen Königssaal der berühmte “Einzug Alexanders in Babylon”. Der Ahnensaal zeigt die Vorfahren der Lippischen Fürsten in der Zeit von 1450 bis 1895. Außer dem Jagdzimmer präsentiert eine Sonderausstellung Jagdwaffen aus vier Jahrhunderten.

Drei Tage für Lippe-Detmold und Umgebung erwiesen sich als viel zu kurz. Sehr lohnend war am 6. 7. ein ausgiebiger Besuch des Westfälischen Freilichtmuseums, des größten Freilichtmuseums Deutschlands. Auf dem 80 ha großen Gelände stehen rund 95 vollständig eingerichtete alte Bauernhäuser verschiedener westfälischer Landschaften, eine Wassermühle und zwei Windmühlen. Alte Handwerkstechniken wie das Spinnen, Weben, Backen und Schmieden werden in den historischen Werkstätten vorgeführt.

Auch Senner Pferde, die einzige bodenständige lippische Pferderasse, konnte man besichtigen. Ich hatte sogar das Glück, drei sehr schöne Stuten mit einem Fohlen der seltenen Senner Pferde auf der Koppel hautnah zu erleben und indem ich mich ins Gras setzte, mich von ihnen beschnuppern zu lassen. Sie kamen neugierig näher, so daß ich sie auch streicheln konnte. Die Senner sind die älteste deutsche Pferderasse. Die erste schriftliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1160. Im lippischen Teil der Senne (sandige offene Heidelandschaft und teilweise seit Jahren Truppenübungs-platz) und im Teutoburger Wald lebten die Senner Pferde seit Jahrhunderten halbwild. Sie lassen sich in ihren Ursprüngen auf die Wildpferde zurück-verfolgen, die in Mitteleuropa lebten. Man muß sie heute als Kulturrasse bezeichnen, die durch züchterische Maßnahmen des Menschen geformt wurden. Die Senne war ihr Weidegebiet. Hier gewannen sie ihre Widerstandskraft gegen Witterungseinflüsse, ihre Härte und Ausdauer. Sie waren ausserordentlich leichtfuttrig und langlebig. Die Gestütsleitung wurde in Schloss Lopshorn am Rande der Senne, nur 8 km Kilometer außerhalb Detmolds, eingerichtet. Das Gestüt Lopshorn erreichte mit 110 Zucht-stuten seinen Höchstbestand. Durch den Zuchteinsatz von hervorragenden Araberhengsten, Englisch Vollblut als auch Sennerhengsten in Anpaarung an die bodenständigen Sennerstuten wurde der Typ des Senner Pferdes gefestigt und erhalten. Die Sennerzucht endete im Jahre 1919 mit der Auflösung des Gestüts und der Enteignung des lippischen Fürstenhauses. Das Aussterben der Senner schien unvermeidlich. In kleinerem Rahmen wurde die Sennerzucht auf dem Gelände des heutigen Freilichtmuseums weitergeführt. Als die Zuschüsse des lippischen Staates für die Fortführung der Sennerzucht aufhörten, wurde das Gestüt 1935 mit einer Auktion der letzten 16 Senner Pferde aufgelöst. Sie wurden zum größten Teil an neue Besitzer im Land Lippe abgegeben. Leider wurde Lopshorn und die dazugehörigen Gebäude unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört. Aber durch den Einsatz einiger sehr engagierter Züchter konnte das Sennerblut erhalten bleiben und durch den Gebrauch hochwertiger Hengste noch sehr verbessert werden. Diese Sennernachzucht – heute 42 Pferde - konnte sich vielfach - in besonders Vielseitigkeitsprüfungen - aber auch in Dressur und Springen durchsetzen.

Man kann nicht sagen, in Detmold gewesen zu sein, ohne das gewaltige, 53 m hohe Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald besucht zu haben (7.7.). Weit über die Wälder hinaus, vom Gipfel des Grotenburgberges (386m ü.d.M.) beherrscht das Denkmal die Landschaft. Es muß eines der schönsten und gewaltigsten Baudenkmäler Deutschlands sein. 1838 – 1875 wurde es von Ernst von Bandel errichtet zur Erinnerung an die Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 n. Chr. (Varusschlacht), wo der germanische Cheruskerfürst Hermann (Arminius) das römische Heer vernichtend geschlagen hatte. Der Name “Arminius” wurde erst durch Martin Luther zum “Hermann” verdeutscht. Die Befreiung Germaniens von der Römerherrschaft war die bedeutendste Entscheidung in der Geschichte Europas. Die Länge der Bronzefigur bis zur Schwertspitze beträgt 26,5 m, wovon das Schwert eine Länge von 7 m aufweist. Es trägt die vergoldete Inschrift : “DEUTSCHLANDS EINIGKEIT, MEINE STÄRKE, MEINE STÄRKE, DEUTSCHLANDS MACHT”.

Ein Muß war auch ein Besuch der Externsteine rund 12 km außerhalb Detmolds. Die beeindruckenden, wild zerklüfteten und bis zu 37 m hohen Sandsteinfelsen dienten ursprünglich als heidnisches Heiligtum, bevor sie um 1115 zu einer christlichen Wallfahrtsstätte wurden. Ein monumentales Steinrelief der Kreuzabnahme Christi, das dort in den Felsen gemeißelt ist, ist das größte seiner Art in Norddeutschland.

Eine langwierige “Staatsaktion” war das Suchen bzw. Auffinden und Fotografieren - im Nordrhein-Westfälischen Staatsarchiv Detmold - des Originals des Adelsbriefes/Urkunde unserer Familie aus dem Jahre 1597 auf Schweinsleder, bzw. Pergament geschrieben, mit dem Wappen in leuchten-den Farben. Man findet dieses schöne und wertvolle Dokument nicht etwa unter dem Namen von Ludwiger, sondern im Findbuch unter “L 4 P”! Das muß man erstmal wissen!

Im Landesmuseum zeigte uns Prof. ”Sprinkaan” eine erstaunliche 5,2 m lange, im Treppenhaus montierte, durch Blitzeinschlag geformte Glasröhre. Es soll weltweit die größte sein.

Wir besuchten Frau Hofmann (83 J.) in dem schön gelegenen Augustineum-Altersheim, die mir vor 56 Jahren ihre gute Stute für die Prüfung zum Deutschen Jugendreiterabzeichen zur Verfügung stellte. Anschließend schauten wir bei Herrn von Kaven rein, der seinen hundertsten Geburtstag bereits hinter sich hatte! Herr v.K. war ein guter Freund meiner Eltern und Großeltern. Er erzählte begeistert von seiner Schulzeit im Leopoldinum Anfang des letzten Jahrhunderts und konnte nicht recht verstehen, warum ich diesen und jenen Lehrer nicht kannte. Sonst hat er ein erstaunlich gutes Gedächtnis und erzählte uns einige Anekdoten aus der Kriegs- und Nachkriegszeit.

8. 7. Morgens früh brachte mich Klaus zum Bielefelder Bahnhof. Per Inter City Schnellzug (ICE) ging es in 50 Min. nach Hannover Hbf – umsteigen, Rolltreppe hoch – und schon ging es weiter im ICE in 1 St. 10 Min. nach Hamburg-Harburg, und kurz darauf per S-Bahn (Metronom) bis zu der Station Horneburg in 20 Min. Diese relativ kurzen Bahnfahrten kosteten EUR 57-00 (ca. N$ 700-00). Da bin ich doch sehr dankbar, daß ich für alle anderen Flüge durch Reinhard die preisgünstigen “stand-by-tickets”hatte. Alles klappte immer reibungslos. In Horneburg holte mich Rickmer von Grüter ab. Wir fuhren die 11 km bis Bargstedt in leichtem Nieselregen – dem einzigen Regen, den ich überhaupt in Deutschland erlebt habe, zu seinem sehr schönen, strohgedeckten Bauernhaus!

Mit Rickmer verbindet mich eine enge Freundschaft seit unseren Omaruru-Schülerheimstagen vor gut 50 Jahren. – Nicht nur das, er hat mir auch 1956 bei einem Absturz während einer Klettertour in den Erongobergen das Leben gerettet. Seine Frau, Ingrid, empfing uns mit

Kaffee und Kuchen in dem sehr ge-mütlichen Wohn-zimmer. Rickmer hat mit viel Mühe und Geschick eigenhändig das ganze alte Bauernhaus renoviert. Es gab natürlich viel zu erzählen! Wir machten am Nachmittag noch eine Fahrt ins Frankenmoor, Rickmers Jagdrevier und been-deten den Tag mit einem Sundowner bei Rickmers Freund, Adolf Müller, auf der Terrasse des wunder-schönen Hauses im Wald, idyllisch gelegen an einem kleinen verwunschenen See.

9. 7. Heute fuhr Rickmer mit mir zu dem großen landwirtschaftlichen Betrieb von Willi & Maria Staacke bei Dahlenburg etwa 110 km von Bargstedt. Großes Hallo! Ich hatte mit ihnen 2004 eine ausgedehnte, hauptsächlich landwirtschaftliche Namibiatour unternommen. Maria zeigte uns mit bescheidenem Stolz das Deutsche Bundes-verdienstkreuz am Bande nebst Urkunde, welches ihr in diesem Jahr verliehen wurde für ihren jahrelangen sozialen Einsatz. Beide Staackes führten uns über ihren sauberen Hof zu den Stallungen, Traktoren, Erntegerätschaften, Ländereien, der riesigen, modernen Verpackungsscheune mit Bergen von frisch geernteten Kartoffeln. Maria verwöhnte uns mit einem sehr leckeren, herzhaften Mittagessen.

Danach unternahmen wir gemeinsam eine Fahrt an die Elbe und Elbniederungen und setzten mit einer Fähre über auf die Ostseite. Wir genossen die weiten, sattgrünen Wiesen, das herrliche, sonnige Wetter, den frischen Wind, den blauen Himmel mit blendend weißen Wolken-türmen. In starkem Kontrast zu der Ruhe und Frieden ausstrahlenden, weiten Landschaft stand ein hoher, alter, düsterer Wachturm aus DDR-Zeiten, ein Mahnmal an eine vergangene Epoche.

Nach einem Abschiedskaffee mit reichlich Kuchen und Gebäck fuhren wir die etwa 60 km nach Hamburg weiter zu Karsten und Renate Krüger (siehe Etoscha-Otjovasandu Odyssee!), die in einer sehr geschmackvoll eingerichteten Penthouse-Wohnung leben. Zusammen mit Henning (“Toffies”) – auch Otjovasandu - schwelgten wir in Erdbeer-torte mit Sahne und anschließend führten sie uns ihre schöne CD und auch Fotos von unserer gemeinsamen Namibiatour vor. Das Abendessen war “out of this world”, wie wir hier sagen würden! Mit lebhaftem Erzählen verging die Zeit im Fluge! Erst gegen ein Uhr morgens sanken wir glücklich, zurück in Bargstedt, in unsere Kojen.

10. 7. Wir fuhren beide mit der Bahn von Horneburg via HH Hbf nach Poppenbüttel, wo uns Ernst Schrader strahlend mit “moin, moin” begrüßte. Wir hatten gemeinsam eine Caprivi- und Botswanatour bis zu den Viktoriafällen unternommen. Einen besseren Hamburg-Führer hätten wir uns nicht vor-stellen können! Als alter Hamburger wußte und kannte er schlichtweg alles in und um Hamburg, nicht nur die Sehens-würdigkeiten, sondern auch die Geschichte der Stadt. Mit seinem schnellen BMW X 3 meisterte er geschickt den dichten Verkehr, teilweise auf Schleichwegen . Für mich ein besonderes Erlebnis war die Fahrt durch den alten, mit Neonröhren hell beleuchteten Elbtunnel. Wir fuhren mit dem Auto in einen Fahrstuhl. Ohne auszusteigen ging es vom Straßenniveau runter in den Tunnel und auf der anderen Seite genauso wieder raus. Das bekannteste Wahrzeichen der Stadt ist die 132 m hohe, evangelische St.Michaelis-Kirche, im Volksmund “der Michel” genannt. An ihm prangt Deutschlands größte Kirchturmuhr. Von der Aussichtsplattform in 82 m Höhe hatten wir einen prächtigen Panoramablick auf das Treiben im Hafen und die Stadt – besonders interessant durch Ernsts ausführliche Erklärungen. Hamburg, “Das Tor zur Welt”, ist mit seinen ca. 1,8 Mio. Einwohnern (Gesamt-bevölkerung von Namibia!) nach Berlin die zweitgrößte Stadt Deutschlands. Durch seinen großen Hafen, der größte Hafen Deutschlands, ist Hamburg nicht nur die größte Handelsmetropole Deutschlands, sondern stellt auch das größte kulturelle Zentrum Norddeutschlands dar. Wir schlenderten durch eine überdachte Luxus Shoppingmall mit vielen schönen und geschmackvollen Geschäften, alles vom Feinsten – edel, exklusiv, elegant - offensichtlich für die besser betuchten Bürger. Nach einem kleinen Imbiss, einem leckeren Sauerheringbrötchen, spazierten wir durch schöne Grünanlagen entlang der Binnenalster (Nebenfluß der Elbe), einem wirklichen Schmuckstück in der Innenstadt. Weiter entfernt sahen wir einige Segelboote auf der Außenalster. Mit viel Begeisterung und Geduld zeigte uns Ernst sein schönes Hamburg bei strahlendem Sonnenschein. Ich glaube, dazu muß ich nochmal wiederkommen mit mehr Zeit! Zum Schluß fuhren wir über die von vielen stattlichen Villen gesäumte Elbchaussee zu der Riviera des Nordens, dem noblen Vorort Blankenese, der sich sanft ansteigend den Elbhang hinaufzieht. Wir waren überwältigt von Ernsts Großzügigkeit und seinem vielseitigen und hervorragend geplanten Programm. Gegen fünf Uhr ging es zu Schraders ganz idyllisch am Waldesrand gelegener Villa – was für ein Paradies! Ingrid und Peter Rudolph (beide waren mit Schraders und mir auf der Caprivi / Vic Falls Tour) kamen auch zum Dinner. Wir wurden sehr verwöhnt mit kulinarischen Köstlichkeiten, die Hille (Ernsts Frau) vorbereitet hatte. Ingrid hatte als besonderen Genuß frischen, superzarten Matjeshering (noch nicht geschlechtsreifer Hering) in Sahnesauce mit-gebracht, eine wahre Delikatesse, die ich noch nicht kannte. Es wurde “lekker” geschnackt bis spät. Mit knapper Not erwischten wir den letzten Zug via HH Hbf nach Horneburg, wo Rickmer sein Auto morgens abgestellt hatte.

11. 7. Früh fuhren wir beide die ca. 160 km nach Dobersdorf (Nähe Kiel) zu Eckart und Renate von Schmidt in der “ Holsteinischen Schweiz”. Sie wohnen wunderschön im Wald. Als Holst. Schweiz bezeichnet man das Gebiet des ostholsteinischen Hügellandes zwischen der Kieler Bucht im Norden und der Lübecker Bucht im Süden. Es ist ein mit schönen Buchenwäldern bestan-denes Gebiet, das mit seinen sanften Hügeln und verträumten Seen zu den lieblichsten Landstrichen Deutschlands gehört. Wir starteten mit Eckart (Trakehner- und Ostpreußenfreund) nach einem guten zweiten Früstück gleich auf eine ganztägige “sightseeing tour” durch die herrliche, bewaldete Gegend. Wir sahen viele Koppeln mit sehr schönen, gepflegten Holsteiner Pferden, mehrere Reitanlagen mit Reithallen und große gediegene, reedgedeckte Bauernhäuser. Ich bekam den Eindruck, daß hier echter, gesunder Wohlstand herrscht.

Wir besuchten in der Nähe von Eutin ein ländliches Reitturnier mit einem erstaunlich hohen Niveau.

Dressuren und Springen wurden sogar bis Klasse "S" geritten - für mich ein großes Erlebnis! Es hat mich wieder überzeugt, daß Deutschland eine sehr breite Basis von Topreitern mit enorm hohem Leistungsniveau hat. Wir machten noch einen Bummel durch die Altstadt von Eutien, deren Backsteinhäuser zum großen Teil noch aus dem 17. Jh. stammen. Besonders sehenswert war das alte, wuchtige Schloss mit dem Schloßpark. Auf dem Weg nach Hause lag der große Plöner See (30 km²) wunderschön in der Abendsonne. Renate hatte geduldig bis elf Uhr mit dem Abendessen auf uns gewartet! Am Ende dieses schönen Tages gingen wir zufrieden, auch wieder nach Mitternacht, zu Bett.

12. Juli. Nach einem gemütlichen Frühstück ging es weiter auf “ Sightseeing-Tour” in die Holsteinische Schweiz. Wieder bewunderte ich die vielen schönen Pferde der Holsteiner Züchter auf den saftig grünen Koppeln. Spätvormittags erreichten wir Kiel, bei allen Segelsportlern besonders bekannt durch die “Kieler Woche”, der weltweit größten Segelsportveranstaltung. 1972 wurden hier die olympischen Segelwettbewerbe ausgetragen. Etwas ausserhalb von Kiel, in dem Ostseebad Laboe, steht das sehr beeindruckende 85 m hohe Marine-Ehrenmal in Form eines Schiffsstevens zur Erinnerung an die gefallenen Marinesoldaten des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Vor dem Ehrenmal liegt das begehbare Unterseeboot U 995, das man auch von unten ansehen kann.

Das Innere des Bootes ist erschreckend eng, der Maschinenraum furchteinflößend! Ich bewundere den Mut der “Grauen Wölfe des Meeres” (Marine-U Bootsoldaten). Wir erforschten Kiel bei herrlichem Wetter und frischem Seewind zu Fuß.

Dabei stießen wir auf ein Bronzedenkmal von “Meteor”, des erfolgreichsten deutschen Springpferdes unter Fritz Thiedemann. Ich muß gestehen, daß mir dieses klobige, beinahe unförmige Denkmal keineswegs gefallen hat. Nachmittags ging es mit Eckart zurück nach Dobersdorf. Rickmer und ich fuhren gleich weiter die 70 km über Oldenburg zu Dieter Lüders & Gretel Assmann in Großenbrode. Sie hatten bei mir eine Namibiatour im nächsten Jahr gebucht.

Zu unserer großen Freude flatterte die namibische Flagge zu unserer Begrüßung vor ihrem Haus . Sie zeigten uns die schöne Ostseeinsel Fehmarn in der Mecklenburger Bucht.

13. 7. Vormittags Rückfahrt von Großenbrode nach Bargstedt. Es war Sonntag. So erlebte ich zum erstenmal, was Autostaus bedeuten – eine große Geduldsprobe! In Bargstedt hatte Rickmer für mich bei einem Freund eine gut dreistündige Kutschfahrt in die unmittelbare Umgebung und in einen herrlichen Forst bei idealstem Wetter organisiert. Herr Hilt Ropers fuhr seinen sehr temperamentvollen, 1,70 m großen Hannoveraner, einen golden glänzenden Fuchs, sehr geschickt mit weicher Hand. Nur einmal schreckte das noch junge Pferd heftig vor einer lauten Dreschmaschine, so daß wir beinahe im Graben landeten. Diese Kutschfahrt hat mir sehr viel Freude gemacht, erinnerte sie mich doch sehr stark an die Fahrten in meiner Kindheit mit unseren guten Trakehnerpferden.

14. 7. Früh fuhr ich allein per Schnellzug bis Hamburg Hbf und per Airport-Shuttle zum Flugplatz. Ich erreichte Frankfurt nach 1 St. 10 Min. Flugzeit, wo mich Pastor Siegfried und Elisabeth Lauer abholten. Sie sind unsere sehr guten und wertvollen Freunde aus ihrer Dienstzeit in Swakopmund. Unterwegs zu ihrem gemütlichen Haus in Butzbach-Hochweisel zeigten sie mir in Niederweisel das Johanniterzentrum für Deutschland und die ca. 800 Jahre alte, mit Luftbasaltblöcken gebaute, sehr schöne, schlichte Kirche. Nachmittags fuhren wir zur Münzenburg, die umgeben ist von mächtig hohen Mauern mit einem eindrucksvollen Turm. Auf dem Heimweg besuchten wir noch Witzi & Nadi Bloch (Freunde von einer Namibia Tour) in ihrer Wohnidylle am Waldrand.

15. 7. Mit Siegfried machte ich vormittags eine erfrischende Wanderung im Wald, wobei er mir die Grundmauern eines Römerkastells und des Limes zeigte. Der Limes (555 km lang) war eine durch Kastelle und Wachttürme gesicherte Grenze des römischen Weltreichs zum Schutz gegen die Germanen, erbaut um 85 – 155 n. Chr.

Mit einem schmerzenden Backenzahn – höchst unpassend vor einer Polen-tour - fuhr ich mit Siegfried nach Bad Homburg zu seinem Freund, Dr. H.J. Zahn, seines Zeichens Zahnarzt. Er diagnostizierte eine Wurzelinfektion und verpasste mir die nötige und erfolgreiche Behandlung. Ich war sehr angenehm überrascht und bin ihm sehr dankbar, daß er die ganze Behandlung, ein-schließlich Röntgenaufnahmen, “Pro Deo” (unentgeldlich) machte! Einmal in Bad Homburg, durfte ein Besuch des Gestüts Erlenhof mit seinen wunder-schönen Anlagen, wie Koppeln, Stallungen, Reitbahn und Fachwerkhäusern nicht fehlen. Vor vierzig Jahren hatte ich dort meinen Freund John Kramer besucht, der damals die Gestütsleitung hatte.

Hochinteressant war die Besichtigung/Führung durch die großartige Saalburg (Römerkastell), mit ihren hohen Wachttürmen, die schon vor fast zweitausend Jahren von den Römern ebenfalls zum Schutz vor den Germanen erbaut wurde.

Mit Siegfried und Elisabeth gab es viel, viel zu erzählen! Es war gewissermaßen ein Besuch von Haus zu Haus. Hier endete der erste Teil meiner Deutschland / Polenreise.

Zweiter Teil : Polenreise

16. – 27. Juli 2008 - Start der Ostlandreise von Butzbach. Reiseleiter Generalmajor a.D. Martin Holzfuß (geb. 24. Dez. 1925). Wir fuhren im Bus am ersten Tag auf der A 7 (Autobahn) über Kassel, Hannoversch-Münden, Göttingen, Braunschweig, Helmstedt, Magdeburg (Nieselregen), nördlich um Berlin (Buckowsee-Ost) bis in das heute polnische Stettin (Szczecin) an der deutsch-polnischen Grenze, dem “Paris des Nordens”, insgesamt 770 km und übernachteten im Panorama Hotel.

17. 7. Der Tag begann mit einer Stadtrundfahrt durch die grüne, wasserreiche Metropole. Die alte, traditionsreiche Hansestadt Stettin an der Oder (Odra) ist ein wichtiger Ostseehafen, nach Danzig/Gdańsk der zweitgrößte in Polen, 65 km entfernt vom Baltischen Meer (Morze Bałtyckie) und seit 1945 unter polnischer Verwaltung. Mit 420 000 Einwohnern (2007) ist Stettin die Hauptstadt Vor-, West- oder Hinter-Pommerns. Die Stadt lebt hauptsächlich von seinem Hafen und den Werften. In der Stettiner Oderwerft werden seit 1945 moderne Containerschiffe, Chemikalientanker und Forschungsschiffe gebaut. Kohleexport und Eisenhütten sind ein wichtiger Handelsfaktor. Die Stadt verfügt über ein modernes Straßennetz, breite Alleen, eingebettet in viele Grünanlagen, die “grünen Lungen Stettins”. 40% der Stadtfläche besteht aus Parks und Gärten, 25% sind Fluss, Kanäle und Seen. Als Universitätsstadt sorgen die etwa 50 000 Studenten für ein lebendiges, kosmopolitisches Flair. Von einer Anhöhe über der Oder grüßt das großartige, ehemalige Pommersche Herzogsschloß (Zamek Książąt Pomorskich) auf dem Schloßberg. Die Bombardements im Zweiten Weltkrieg zerstörten das Schloss völlig. Es wurde dann aber 1958-80 wieder neu aufgebaut. Beeindruckend waren die vielen sehr schönen historischen Gebäude wie das Alte Rat-haus, die farbenfrohen Häuser um den Marktplatz und ein Besuch der Jakobskathedrale (Bazilika Archikatedralna Św.Jakuba) in gotischem Stil mit neben dem Turm einer riesigen 6,9 Tonnen schweren Glocke mit 2,2 m Durch-messer.

Vor dem imponierenden Gebäude des Seefahrtsmuseums (Muzeum Morski) und des Neuzeitlichen Theaters steht ein aus Stein gehauenes Standbild des mit einem Zentaur kämpfenden Herkules aus den Jahren 1911 – 1913.

Etwas Besonderes war ein Besuch im NATO – Multinational Corps Northeast – Hauptquartier (Baltic Barracks). NATO = North Atlantic Treaty Organisa-tion. Die Befehlsstruktur wird zusammengestellt aus einem dreiseitigen Übereinkommen zwischen Polen, Dänemark und Deutschland. Seit 2004 wurden neun weitere Natomitgliedsländer in das Corps aufgenommen: Estland, Lettland, Littauen, die Slovakei, die Tschechichen Republiken, Rumänien und letztendlich die USA. Oberstleutnant Schachel hielt uns einen sehr guten, informativen Vortrag über die Funktionen und Aufgaben wie Verteidigung, Krisenmanagement (Afghanistan), humanitäre und Rettungs-missionen der dort stationierten Soldaten. Anschließend wurden wir eingeladen zu einem kräftigen, schmack-haften Mittagessen in der Kantine mit den Soldaten.

Es ging weiter Richtung Norden nach Kamien/Pomorski, wo wir in der großartigen romanisch-gotischen Kathedrale, einem roten Backsteinbau, die riesige 13 m breite und 9 m hohe Orgel (1669-1672) und die wunderschöne holz-geschnitzte Kanzel (1682) bewundern konnten. Mit ihrem weit ausladenem, figurenbestztem Dach ist sie ein Meisterstück der Holzschnitzerkunst. Wir genossen die schöne Fahrt entlang der Ostseeküste bis zu unserem nächsten Quartier in dem modernen Skan Pol Hotel in dem Ostseebad Kolberg/Kołobrzeg. Da es ein milder Juli-Abend und noch lange hell war, machte ich nach dem Abendessen eine längere Wanderung an dem 2 km langen Strand mit dem feinsten, weißen Sand.

18. 7. Stadtbesichtigung : Kolberg, eine schmucke Stadt mit ca. 50 000 Einwohnern, gelegen an der Mündung der Persante in das Baltische Meer, ist das See-, Moor-und Soleheilbad an der Ostsee mit einer ca. 1000 jährigen Geschichte. Das Salz wird aus mineralhaltigen Quellen gewonnen. 1945 wurden die Stadt und der Hafen nach schwersten Kämpfen zu 90 % zerstört mit ca. 6000 Toten auf beiden Seiten. Die gesamte deutsche Bevölkerung flüchtete. Polen baute die Stadt wieder neu auf zu einem heute modernen Kurort. Sehr beeindruckend waren für mich das historisch neugotische Rathaus und in der Altstadt der wunderbare Kolberger Mariendom (1321) – ein Backsteingebirge am Meer – mit seinem majestätischen 74 m hohenTurm, der das Stadtbild beherrscht. Die Basilika (Mittelschiff) ist 96 m lang, 42 m breit und im Presbiterium (Chorraum) 22 m hoch. Der im Krieg fast vollständig zerstörte Dom wurde wieder ganz neu aufgebaut. Nach ca. 120 km Fahrt erreichten wir Köslin/Koszalin, umgeben von Wäldern, nur 10 km von der Ostsee entfernt. Es ist die am schnellsten wachsende Stadt im Nordwesten Polens (Westpommern) und hat heute eine Einwohnerzahl von ca. 110 000. Die Ökonomie wird hauptsächlich von der Landwirtschaft bestimmt. Unser Reiseleiter, Martin Holzfuß, konnte uns die Heimatkunde in und um Köslin mit bewegten Worten nahebringen, da er hier auf einem Hof aufgewachsen war und in Köslin die Schule besucht hatte. Wir übernachteten wieder im Skan Pol Hotel in Kolberg.

19. 7. Weiterfahrt über Stolp/Slupsk ca. 300 km bis nach Danzig/Gdańsk - “Königin der Ostsee” an der Weichsel und Mottlau zu dem modernen Holiday Inn Hotel, das gegenüber dem Hauptbahnhof, einem architektonischen Juwel, liegt.

Der Bahnhof wurde bereits im Jahre 1900 erbaut, im Baustil ähnlich dem Rechtstädtischen Rathaus und der Katharinenkirche. Während eines Stadtbummels fiel mir die Dynamik und Betriebsamkeit der jüngeren, selbsbewußten Polengeneration positiv auf. Abends geriet ich in das “Getriebe” einer Autorally, die quer durch die Stadt mit “heißen Reifen” gefahren wurde. Noch heißer waren die polnischen “Girls” in hellblauen Uniformen der Polska Policję, die sehr effektiv als Sheriffs/Marshals fungierten!

20. 7. 1878 wurde Danzig Hauptstadt der Provinz Westpreußen. Nach dem Ersten Weltkrieg erlangte Danzig durch den Versailler Vertrag den Status einer “Freien Stadt” unter der Schirmherrschaft des Völkerbundes. Zoll, Postwesen und Fernverkehrs-einrichtungen standen unter polnischer Verwaltung. Zwischen Danzig und Deutschland lag nun der “Polnische Korridor”, Polens Zugang zur Ostsee. Da die Danziger den Handel mit dem polnischen Hinterland boykottierten, baute Polen das Dorf Gdingen/ Gdynia im Korridor zum Hafen aus. Bei idealem Wetter bekamen wir eine lehrreiche Stadtführung mit einer gut deutschsprechenden Polin. Sie zeigte uns mit ausführ-lichen Beschreibungen die bekanntesten “Baudenkmäler” Danzigs (460 000 Einw.) – u.a. das Große Zeughaus, das riesige Rathaus mit seinem 80 m hohen Turm, und das aus dem 15. Jh. stammende “Krantor” an der Mottlau, ein gewaltiges Symbol des damals florierenden Welthandels. Es gilt als Wahrzeichen Danzigs und als eines der weltweit größten mittelalterlichen Industriedenkmäler. Am Ende des am Kanal entlangführenden Spazierwegs überragt die monumentale Marienkirche die Stadt. Sie war im 14. Jh. die größte Backsteinkirche Europas. Bei der Stadtführung bewunderten wir das Goldene Tor, den Neptunsbrunnen, der die enge Verbindung der Stadt zum Meer symbolisiert, das Grüne Tor mit seinen vier Torbögen und die Markus-kirche. Bombardements und Sprengungen machten im Zweiten Weltkrieg alles dem Erdboden gleich, doch heute lässt die rekonstruierte Altstadt die goldene Epoche Danzigs wieder aufleben. Die Pracht und Kunstschätze in den meisten katholischen Kirchen in Polen kann man kaum in Worte fassen! Mittags fuhren wir ca. 15 km nach Zoppot/Sopot (40 000 Einw.), zu der “Riviera des Nordens”, der luxuriösen Feriensiedlung, dem beliebtesten Kur-und Badeort an der Ostsee mit dem Beinamen “Sommerhauptstadt Polens”. Das wuchtige Grandhotel am Strand ist eine der nobelsten Adressen in Zoppot. Neben einem wunderschönen weißen Sandstrand, 4 km lang und über 100 m breit, ist die 10 m breite Zoppoter Seebrücke immer noch die größte Touristenattraktion, auf der man trockenen Fußes einen halben Kilometer weit in die Ostsee spazieren kann – der längste Holzsteg Europas. Selbstverständlich flanierten wir dort auch entlang, genossen den Sonnenschein und die frische, gesunde Meeres-luft. Nach einer guten Tasse Kaffee fuhren wir 7 km weiter nördlich nach Gdingen/Gdynia und bestaunten die großen und modernen Hafenanlagen. 1970 wurde hier ein Werftarbeiteraufstand unter Führung von dem Werft-arbeiter Lech Wałęsa von den Russen blutig mit über 100 Toten niedergeschlagen. Er wurde die Symbolfigur im Kampf gegen den Kommunismus und für die Demokratie und letztendlich zum Präsidenten der Republik Polen (1990-1995) gewählt. In den Jahren danach verwandelte sich Gdingen, so wie Danzig, in eine antikommunistische Hochburg. Das heutige Gdingen zählt ca. 250 000 Einwohner und ist ein bedeutendes Industrie-, Kultur- und Wissenschaftszentrum. Zu dem Großraum Danzig (eine Million Einwohner) gehört außer Zoppot, Gdingen, Langfuhr/Wrzeszcz auch Oliva/Oliwa mit der riesigen Kathedrale. Wir hatten das große Glück, in diesem Dom ein Orgelkonzert zu hören – einfach umwerfend gewaltig! Die Orgel stammt aus den Jahren 1763 – 1788 und ist im Weltmaßstab einmalig und gehört zu den größten in Europa. Dieses einzigartige Instrument besaß anfangs 6000 Pfeifen und heute, nach mehreren Umbauten, nahezu 8000 und bietet somit ungeahnte Klangmöglichkeiten. Oliwa ist umgeben von herrlichen ausgedehnten Wäldern. Abends kehrten wir wieder zurück zu unserem Holiday Inn Hotel in Danzig.

21. 7. Vormittags stand ein Besuch der geschichtsträchtigen Halbinsel Westerplatte/Wielicka in der Weichsel-mündung, 5 km nördlich Danzigs auf dem Programm. Der triste, graue mit Wolken verhangene Himmel und leichte Nieselregen trug entsprechend zu unserer Stimmung bei. Der Zweite Weltkrieg wurde hier am

1. September 1939 eingeläutet. Am gleichen Tag begann die Invasion Polens durch deutsche Truppen. Unter dem Vorwand eines freundschaftlichen Flottenhöflichkeitsbesuches, der am 25. August 1939 anfing, lag der deutsche Panzerkreuzer “Schleswig-Holstein” unweit der Westerplatte landeinwärts (südlich) in dem Weichselkanal vor Anker. Am 1. September 1939 um 04:45 am frühen Morgen nahm die “Schleswig-Holstein” das polnische Munitions-Durchgangslager auf Westerplatte mit Artilleriesalven von Süden unter Beschuß. Es waren wahr-scheinlich die ersten Schüsse, die im 2.Weltkrieg abgefeuert wurden. Sofort versuchten Deutsche Marine-Infantrie-Soldaten vergeblich, das polnische Militärlager zu stürmen. Zwei weitere Angriffe größerer deutscher Einheiten, ebenfalls an demselben Tag, wurden abgewiesen. In den nächsten Tagen wurde die Westerplatte regelmäßig von schwerer Marine- und Feldartillerie bombardiert. Deutsche Sturzkampfflieger mit Ju 87 Stukas (Junkers) griffen wiederholt erfolglos mit ihren Bordgeschützen an. Über einen Zeitraum von sieben Tagen wurden wiederholte Angriffe von 3500 deutschen Soldaten von nur 180 polnischen Soldaten zurückgeschlagen. Die Versorgungslinie des polnischen Lagers war vom ersten Tag der Gefechte an abgeschnitten. Die Lage wurde für die Polen von Tag zu Tag kritischer. Sie mußten auch selbst ihre Schwerverletzten und Verwundeten notdürftig im Bunker behandeln. Am 7. September beschloß der polnische Lagerkommandant, Major Sucharski, die Übergabe (Kapitulation), da ohne Munition und Lebensmittel nicht mehr gekämpft werden konnte. Es bestand auch keine Hoffnung, daß die polnische Wehrmacht ihnen in irgendeiner Weise zu Hilfe kommen konnte. Als ein Zeichen der Hochachtung der tapferen Verteidiger von Westerplatte erlaubte der deutsche Kommandeur, General Eberhardt, dem polnischen Major Sucharski, seinen Offiziersdegen zu behalten, als er in deutsche Gefangenschaft ging. Die Verluste auf deutscher Seite betrugen 75 Gefallene und auf polnischer Seite 15 Tote.

Ein monumentales, 25 m hohes, aus Stein gehauenes Denkmal der Vertei-diger von Westerplatte wurde am 9. Oktober 1966 auf der gleichnamigen Halbinsel, auf dem Gelände des ehemaligen Militärtransitlagers enthüllt. Die Köpfe eines Matrosen und eines Soldaten sind oben in Stein gemeißelt, die Schriftzüge nennen Namen von Schlachten im Zweiten Weltkrieg, an denen polnische Soldaten teilnahmen. Den letzten Nachmittag in dem schönen Danzig verbrachten wir mit einem Stadtbummel. Dabei erwischte uns ein kurzes, aber heftiges Gewitter mit anschließendem Sonnenschein. Mein Eindruck : Polen, eine Nation im Aufbruch! Danzig, eine sehr schöne Stadt mit einer sehr dynamischen Jugend und vielen hübschen, selbstbewußten jungen Damen!

22. 7. Fahrt zu der Marienburg/ Malbork am Ost-ufer der Nogat, einem östlichen Seitenarm im Weichseldelta (West-Preußen), etwa 60 km südöstlich Danzigs. Die gigantische, ziegelrote Prachtanlage mit ihren Türmen und Befestigungsanlagen gehört zu den größten und berühmtesten Burgen des Mittelalters (Baubeginn 1280) in Europa. Der christliche Deutsche Orden machte schon 1309 die Marienburg zu seiner Machtzentrale. In den über 800 Jahren diente die Burg nicht nur als Residenz der Ordensritter, sondern auch polnischen Königen (1457 – 1772), als Kloster und, nach der Eingliederung in den preußischen Staat (1772), als Kaserne und Lager. Notwendige Reparaturen wurden von Zeit zu Zeit vom Staat ausgeführt. Als sich im Frühjahr 1945 die Rote Armee der Burg näherte, wurde sie von den Deutschen zur Festung erklärt und drei Monate lang verbissen verteidigt, wobei vor allem die östlichen Teile gewaltige Schäden erlitten. Polen übernahm 1945 die Marienburg als großes Trümmer-feld. Die Burg wurde weitgehend wieder originalgetreu aufgebaut – ein Mammutprojekt! Der kostspielige Wieder-aufbau hat sich inzwischen aber wirtschaftlich bezahlt gemacht, da die Marienburg heute zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Polens zählt. Unsere dreistündige, sehr beeindruckende Führung war immer noch viel zu kurz! Die Burg ist eines der großartigsten Monumente der deutsch-polnischen Geschichte und ein gemeinsames Kulturerbe beider Völker. 1998 wurde sie von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Mittags ging unsere über 500 km lange Tagesfahrt weiter bis tief hinein in das schöne ostpreußische Land über Elbing, Allenstein, durch Masuren bis nach Nikolaiken am Spirdingsee. Unterwegs, etwa 80 km vor Nikolaiken, wurden wir nachmittags auf einer Waldwiese im Gelände von fünf temperamentvollen, jungen Reiterinnen in ihren bunten polnischen Trachten empfangen. Sie ritten alle ausgezeichnet und hatten ihre Pferde sehr gut in der Hand.

Zur Begrüßung ließen sie ihre Pferde auf der Wiese mit einem Vorderbein angewinkelt knien, gewissermaßen eine Verbeugung machend. Auf einen kleinen Wink legten sich die Pferde flach in das weiche Gras. Unter anfeuernden Rufen ließen sie ihre Pferde steigen - fast senkrecht auf den Hinterbeinen stehend. Ein etwa 14 jähriges Mädchen führte alle diese Kunststücke auf einem ungesattelten Pferd vor, eine besondere Leistung! Wir fuhren dann mit einem Pferdewagen auf eimem Feldweg in Begleitung der Reiterinnen zu einem Bauernhof. Dort war in einer großen, sehr schön geschmückten Scheune eine Bauernhochzeit inszeniert.

In der Scheune spielte von einem Erntewagen eine Kapelle zünftige Musik, die zum Tanz einlud. Es duftete herrlich nach frisch eingefahrenem Heu, was zum Teil schon geballt war (gute Sitzgelegenheiten). Bockies (Ziegen) wuselten zwischen den üppig gedeckten Tischen herum.

Eine hübsche Schimmelreiterin ritt bis vor die Kapelle und das Pferd machte zum Jubel der Gäste eine Verbeugung. Nach einer kräftigen Erbsensuppe mit Speck konnte sich jeder nach Belieben mit Bratwurst und Steaks bedienen, wozu es auch schmackhaftes Bier gab. Es herrschte eine Bombenstimmung, so daß auch wir Oldies zum Polka das Tanzbein schwangen! Bei einbrechender Dämmerung ging es wieder per Pferdewagen und berittener Begleitung zurück zum Bus. Diesmal ließ ich es mir nicht nehmen, selber durch den Wald mitzureiten. Nach 23 Uhr kamen wir erst in Nikolaiken/ Mikolajki in unserem riesigen Hotel Golbiewski an.

23. 7. An diesem Tag ging es morgens zum Führerhauptquartier Wolfsschanze (Kwatera Główna Hitlera Wilczy Szaniec), zeitweilig Hitlers größte und höchste militärische Befehlsstelle (Machtzentrale) während des Krieges. Die Wolfsschanze liegt 32 km nördlich Nikolaikens und etwa 8 km östlich von Rastenburg/Kętrzyn in dem Rastenburger Wald (Stadtforst) in Ostpreußen, im heutigen Polen. Dieser Standort erwies sich als besonders geeignet, weil er eine natürliche Tarnung und einen Schutz gegen Feindeinsicht aus der Luft, sowie Landungen von Fallschirmtruppen, bot. Er befand sich in der Nähe der russischen Grenze und lag abseits der großen Verkehrs-straßen. Er war von Sümpfen und den masurischen Seen umgeben, die ein natürliches Hindernis gegen angreifende feindliche Bodentruppen darstellten. Außerdem war Ostpreußen einer der bestgesicherten Wehrkreise des damaligen Deutschen Reiches. Das bebaute Hauptquartier Wolfsschanze umfaßte ca. 250 ha, sowie 800 ha umgebenden Wald. Es war eine kleine Stadt für sich mit eigenem Bahnhof, Wasserversorgung, Kanalisation, Elektrizitätswerk, Heizwerk, Klimaanlagen und Nachrichtenzentralen. Alles war verborgen hinter drei verminten Sicherheitszonen, sogenannten Sperrkreisen mit Stacheldrahtverhauen und Panzersperren und wurde Tag und Nacht streng bewacht. Alle Sperrkreise konnten nur bei Kenntnis der aktuellen Tagesparole mit entsprechenden Sonderausweisen betreten werden, die als Tages-, Wochen-, Monats- bzw. Dauerausweise ausgestellt wurden. In ihr lebten ungefähr 2000 Menschen, darunter lediglich etwa 20 Frauen, die als Köchinnen oder Sekretärinnen arbeiteten. Im innersten Sperrkreis 1 wohnten Hitler und seine engsten Mitarbeiter. Hier verbrachte Hitler mit einigen Unterbrechungen über 800 Tage (etwa 2 Jahre und 2 Monate) vom 24. Juni 1941 bis zum 20. November 1944 (eine Zeitspanne von 3 J. und 5 M.), ehe er die Anlage für immer verließ. Die Flachdächer der Gebäude sicherte eine Erdschicht, die mit Bäumen, Sträuchern und Moos bepflanzt wurden. Die ganze Anlage unterlag strengster Geheimhaltung. Etwa sechs Kilometer südlich der Wolfsschanze lag der Flugplatz des Führerhaupt-quartiers. Am 20. Juli 1944 fand hier das mißglückte Attentat auf Hitler statt.

Um das Hauptquartier nicht unzerstört in die Hände der Russen fallen zu lassen, befahl der Chef des Oberkomman-dos der Wehrmacht, Feldmarschall W. Keitel, die Sprengung der ganzen Anlage, was von deutschen Pionieren, nur drei Tage bevor die russischen Truppen kampflos den Rastenburger Wald erreichten, am 24. Jan. 1945 durch-geführt wurde. Wir konnten an einer Besichtigungstour mit dem bestens informierten Führer, Jerzy Szynkowski, der auch fließend deutsch sprach, teilnehmen. Er führte uns zu den vielen Bunkerruinen, riesigen Betonklötzen von unglaublichen Ausmaßen, ein überwältigender Eindruck!

Teilweise bestanden die Wände der Bunker aus fünfmeterdickem Stahlbeton. Es ist ein düsterer Schauplatz der neueren deutschen Geschichte. Die Wolfsschanze ist zugleich ein Denkmal des deutschen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus - ein Denkmal, das der mutige Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg sich und allen jenen Deutschen gesetzt hat, die im Kampf gegen ein System der Gewalt-herrschaft ihr Leben verloren haben. Er handelte aus der Verantwortung eines Offiziers, aus der Liebe, die er zu seinem deutschen Vaterland empfand, und aus dem Gewissen, das in seiner christlichen Überzeugung wurzelte. Ihm zu Ehren und in Erinnerung an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus wurde vor der Ruine der Lager-baracke, in der die Lagebesprechung am 20. Juli 1944 abgehalten wurde, am 22. Juli 2004 zum 60. Jahrestag des Attentats eine an einem Feldstein befestigte Gedenkplatte in Anwesenheit seiner drei Söhne enthüllt. Auf dem schweren Weg der Versöhnung könnte dieser Ort zu einer Begegnungsstätte zwischen einem neuen Polen und einem neuen Deutschland werden, in dem Freiheit und Menschenwürde, Werte, für die auch der deutsche Wider-stand kämpfte, zum obersten Gebot erklärt werden. Für mich war der Besuch der Wolfsschanze mit seinem militärgeschichtlichen Hintergrund ein erschütterndes Erlebnis.

Mittags fuhren wir zu dem 15 km entfernt gelegenen Schloß Steinort/ Sztynort. Dieses riesige, ehemals prunkvolle Schloß, wunderschön am Mauersee (Jez. Mamry) gelegen, war früher der Familiensitz der Grafen Lehndorff. Während des Krieges hatte sich hier der Außenminister Joachim von Ribbentrop mit seinem ganzen Stab einquartiert. Es ist heute leider in einem sehr desolaten, verfallenen Zustand. Eine Restauration nur des Haupt-gebäudes würde schon einige Millionen verschlingen. Im Schatten großer ehrwürdiger Bäume, auf saftigem Rasen sitzend/liegend, am Ufer des Sees, hielten wir unser Picknick/ Lunch und beobachteten den regen Segelbetrieb auf dem See.

Unser nächstes Ziel war die Wallfahrts-kirche in Heiligelinde/Święta Lipka zwischen zwei bewaldeten Hügeln und zwei malerischen Seen gelegen. Diese Kirche gehört zu den schönsten Barockbauten im nordöstlichen Polen. Die in grün und gelb gehaltene West-fassade, die schönste der Kirche, besteht aus drei Stockwerken und zwei Türmen in denen sich je eine große Uhr mit Glockenschlag befindet. Besonders auffällig ist eine Nische über dem mittleren Portal. In ihr steht eine steinerne Linde mit einer eisernen Blätterkrone, in deren Mitte eine Statue der Heiligen Jungfrau zu sehen ist. Das Innere dieser katholischen Kirche ist bezaubernd schön und mit unendlich vielen Ornamenten, z.B. mit Edelsteinen bestückten goldenen Kronen, und Verzierungen versehen. Der Hauptaltar von 1712 besteht aus drei Etagen. Die kunstvolle, plastische Dekoration zeigt Szenen des Letzten Abendmahls Jesus Christus mit den Jüngern. Die mächtige Orgel hat ca. 4000 Pfeifen, wovon die größten bis zu 4 m lang und die kleinsten nur so groß wie ein Bleistift sind. Wir hatten hier das Glück, ein ergreifendes Orgelkonzert anhören zu können mit u.a. Musikstücken wie “Ave Maria” von F. Schubert. Erfüllt von dem Erlebten dieses schönen, sonnigen Tages fuhren wir durch dunkle Wälder zurück zu unserem Hotel in Nikolaiken. Dem luxuriösen Hotel ist auch eine moderne Reitanlage mit Springplatz, Dressurvierecken, Longierpaddock und sauberen, gut ventilierten Ställen angegliedert. Ich konnte mich nachts sogar tierärztlich betätigen und einem Pferd mit einer Darmkolik helfen.

24. 7. An diesem Tag konnten wir ausgiebig die einzigartige Landschaft Masurens mit ihren umfangreichen Waldgebieten, über 46 000 km² – der Grünen Lunge Polens - und vor allem ihren malerischen Seen, die vielfach durch Kanäle, Flüsse und Bäche verbunden sind, genießen – Masuren, das Land der dunklen Wälder und der tausend Seen! Es sollen tatsächlich etwa 2500 kristallklare Seen sein. Als Masuren bezeichnet man das etwa 1100 km² große Gebiet der südlichen und südöstlichen Teile Ostpreußens. Wir starteten morgens von Nikolaiken bei herrlichem warmen Sommerwetter mit einem größeren Motorboot auf dem Spirdingsee/Jez.Śniardwy zu einer ca. dreistündigen Bootsfahrt. Die verschiedenen Seen waren umsäumt von dichten Wäldern, vorwiegend dunkelgrünen Kiefern, eine bezaubernd schöne Landschaft. Das Bild wurde belebt durch viele schmucke, weiße Segelboote. Sehr interessant war die Passage von einem See zu einem anderen höher gelegenen See mittels einer Schleuse. Das erlebte ich Namibianer zum erstenmal! Wieder zurück in Nikolaiken, fuhren wir per Bus gen Süden in das größte Waldgebiet Masurens und eines der größten in Polen, die Johannisburger Heide/Puszcza Piska.

Hier trifft man, abgesehen von sandigen Teilen, mitunter auf Flachmoore, Sümpfe und Moraste. Im Zentrum dieses Teiles befindet sich die “masurische Perle”, der Niedersee. In den Wäldern dominieren die Kiefern und Fichten, besonders in den sandigen und feuchten Gebieten. Weiterhin fuhren wir durch abwechslungs-reichen Mischwald mit Eichen, Linden, Ahorn, Erlen und anderen, mir nicht bekannten Bäumen. Leider sahen wir gar kein Wild. Nach einer Wildzählung (2004) soll es in der Johannisburger Heide noch 5400 Hirsche, 4600 Rehe, sogar auch 12 Elche und 20 Wölfe geben. Abends zurück in unserem luxuriösen Nikolaikenhotel genoß ich das große Hallenschwimm-bad mit künstlichen Wellen und einer Mega-Wasser-rutsche!

25. 7. Weiterfahrt durch das schöne, weite ost-preußische Land mit einem Zwischenstop in Thorn/Toruń /Weichsel bis nach Posen/Poznań. Thorn ist eine alte Hansestadt mit einem prächtigen mittelalterlichen Zentrum, Ruinen einer einst mächtigen Burg der Deutsch-ordensritter und einer wunderschönen Altstadt. Erfreulicherweise überstand Thorn den Zweiten Weltkrieg ohne nennenswerte Schäden an der Bausubstanz. So wurde die Stadt von der UNESCO in die Liste der Weltkulturerbe aufgenommen. Ein Bronzedenkmal vor dem Rathaus ehrt den berühmten Naturwissenschaftler und Astronom, Nikolaus Kopernikus, der 1473 in Thorn geboren wurde. Er bewies, daß sich die Planeten um die Sonne bewegen (Kopernikanisches oder heliozentrisches Weltsystem). Ein städtebauliches Schmuckstück der seit dem Mittel-alter fast unverändert erhalten gebliebenen Altstadt ist der Marktplatz mit dem gotisch-geradlinigen Rathaus. Bei einem Streifzug durch die Stadt mit ihren vielen historischen Gebäuden fühlten wir uns ins Mittelalter versetzt. Nachmittags erreichten wir Posen/Poznań (580 000 Einw.), die quirlige, modern Messestadt an der Warthe. Nach der langen Fahrt machten wir uns es gleich bequem in unserem Novotel Malta Hotel, einem Hochhaus mit 465 Zimmern (!) gegenüber einem hochmodernen, riesigen Shoppingcenter.

26. 7. Vormittags nahmen wir an einer Stadtführung teil. Wir bewunderten die vielen Renaissance- und Barock-bauten, ein Zeichen, wie wohlhabend früher die Kaufleute und Bürger der Stadt waren. Heute zeigt sich die im Zweiten Weltkrieg schwer zerstörte Handels- und Messestadt mit ihrem schön restaurierten historischem Zentrum und den bedeutenden Sakralbauten wieder in altem Glanz. Hier muss ich gleich an die St.Stanislaus Pfarrkirche denken. Es ist eine der eindrucksvollsten Barockkirchen Polens. Die sich auftürmende Fassade scheint die enge Sraße beinahe zu sprengen. Das prunkvolle Innere ist üppig mit vergoldeten Altären, Skulpturen, reichem Stuck-werk und Wandgemälden ausgestattet. Schon von weitem sind die beiden Haupttürme der vieltürmigen, hoch auf-ragenden Kathedrale ein absoluter Blickfang. Eine der Seitenkapellen ist die “Goldene Kapelle”. Sie wurde zum Mausoleum für polnische Könige bestimmt. Ein ganz bezauberndes “Traumschlößchen für die Bürger” ist das Rathaus am Alten Markt.

Der dreistöckige Rathausbau aus hellen Steinquadern ist ein Schmuckstück der Renaissance. Das herrliche Gebäude besitzt eine mit Arkadenloggien gegliederte Fassade, die eine freskengeschmückte Attika und Türmchen krönen. Der achteckige, 61 m hohe Uhrturm erhebt sich aus der Mitte und schließt mit einem Säulentempel-chen unter der Spitze ab. Beim Mittagsläuten öffnet sich über dem Zifferblatt eine kleine Doppeltür im Türmchen, und zwei blecherne Ziegenböckchen kommen heraus. Von dem Uhrwerk gesteuert, stoßen sie sich zwölfmal mit den Hörnern. Sehr lustig anzusehen. Sehr originell war auch der kleine Bambergerin - Brunnen zur Erinnerung an die Bamberger, die im 18.Jahrhundert aus dem deutschen Bamberg nach Posen kamen, um das nach dem Nordischen Krieg und der Seuche entvölkerte Posen und die umliegenden Dörfer wieder zu besiedeln.

Anschließend besuchten wir die gut gepflegten deutschen und russischen Soldatenfriedhöfe. Sie wurden sehr schön angelegt unter hohen Bäumen mit Rasen zwischen den Gräbern. Auf dem deutschen Friedhof waren auf Bronzetafeln die unendlich vielen Namen der im Zweiten Weltkrieg um Posen gefallenen Soldaten zu lesen. Die meisten russischen Gräber hatten weiße Grabsteine, jeweils mit dem Namen und einem roten russischen Stern. Pastor Siegfried Lauer hielt eine sehr ergreifende Gedenkandacht. Hier möchte ich auch erwähnen, daß uns Pastor Lauer an jedem Morgen der Tour eine passende Kurzandacht hielt, was von Allen sehr positiv aufgenommen wurde.

Der Nachmittag stand uns zur freien Verfügung. Das war mir sehr wichtig, da für mich einer der Gründe für die Teilnahme an dieser Ostlandreise ein Besuch unserer ehemaligen Familiengüter Karlshöhe/Przystanki und Lubosin/Lubosina, nur 46 km nord-westlich von Posen, geplant war. Zusammen mit Siegfried und Elisabeth Lauer mieteten wir mittags ein Taxi. Der freundliche polnische Fahrer konnte nur sehr gebrochen Deutsch und verstand auch kein Wort Englisch, und ich noch weniger Polnisch oder gar Russisch.

Da ich aber eine sehr gute Straßenkarte, eine genaue Lageskizze und alte Photos (1940-1945) von unserem Gutshaus, damals Schloß genannt, hatte, konnte ich den Fahrer ganz gut dirigieren. Anfangs legte er mit seinem schwarzen Mercedes ein Tempo vor, als ob sein Leben davon abhinge! Zum Glück war es 15 Uhr Samstagnach-mittag und die Straßen leer. Nachdem ich den Chauffeur um ein gemäßigteres Tempo gebeten hatte, habe ich die Fahrt auf der an beiden Seiten mit Bäumen gesäumten Chaussee über das weite, relativ flache Land, sehr genos-sen. Es war ein heißer, schöner Sommertag – blauer Himmel mit einigen weißen Kumuluswolkentürmen. Daß das gute, fruchtbare Land landwirtschaftlich intensiv genutzt wird, konnte man an den weiten, goldgelben Getreide-feldern, die mitunter fast bis an den Horizont reichten, sehen. Da es gerade Erntezeit war, wurde viel mit Traktoren und Mähmaschinen gearbeitet. In meiner Kindheit wurden alle Erntearbeiten noch mit Pferden verrichtet. Nach einiger Zeit auf einer kleineren Landstraße erreichten wir eine Weggabelung, nach links “Lubosina” und nach rechts “Przystanki”. Bis hierher waren wir also noch auf dem richtigen Weg, obwohl mir alles unbekannt vorkam (nach über 60 Jahren!). Bei drei einfachen, kleinen Bauernhäuschen gegenüber einem Wäldchen hielten wir an. Ich fragte eine alte Bäuerin, ob sie wüßte, wo das Gutshaus “Przystanki” zu finden sei und zeigte ihr meine Fotos von dem Gutsgebäude. Nach einem kurzen Blick auf die Bilder wies sie auf das gegenüber liegende Wäldchen und bedeutete mir, natürlich auf polnisch, daß das Haus inmitten der hohen Bäume in dem Wäldchen läge und auch, wo der Weg zu dem Gutshof zu finden sei. Ich muß zugeben, daß ich ziemliches Herzklopfen bekam, als wir den Sandweg, ehemals durch schöne Parkanlagen, jetzt völlig ungepflegt, zu unserem Gutshaus entlang fuhren.

Da lag nun unser schönes “Schloß Karlshöhe” inmitten ehrwürdiger mäch-tiger Eichen- und Lindenbäume in der Nachmittagssonne. Es war ein erheben-des Bild. Baulich war das ganze Ge-bäude in recht gu-tem Zustand. Das war wohl der Tat-sache zuzuschreiben, daß es die Polen für viele Jahre nach dem Krieg als Schule benutzt hatten und es erst kürzlich von einem polnischen Geschäfts-mann in Posen erworben wurde. Vermutlich war das solide Gebäude kaum je unbenutzt dem Verfall preisgegeben. Bei genauerer Inspektion konnte ich feststellen, daß der neue Besitzer an einigen Stellen, am Fundament und auch am Dach, mit Renovierungsarbeiten beschäftigt ist. Leider konnten wir das Innere nicht ansehen, da der Besitzer nicht zu Hause, und alle Türen verschlossen waren. Auch konnte ich seinen Namen nicht in Erfahrung bringen. Als ich allein über den großen Hof (etwa 100x100 m) ging, um mir die früheren Pferde-, Kuh- und Schwei-neställe, als auch die Wagenremise und Scheunen anzusehen, wurde ich von einem einfachen polnischen Vor-mann mit “einiger Bestimmtheit” barsch des Platzes verwiesen. Ich machte dann aber trotzdem noch eine schöne, nostalgische Wanderung entlang einem großen Weizenfeld, wovon ich mir eine Handvoll als Andenken mitnahm und durch den Wald auf einem jetzt völlig zugewachsenen Weg, auf dem wir früher Ausfahrten gemacht hatten - im Sommer mit dem Kutschwagen, bespannt mit zwei temperamentvollen Trakehnerpferden - und im Winter mit dem Pferdeschlitten. Die ehemalige Allee war noch gut anhand der alten dicken Bäume zu erkennen - 60 Jahre machte an ihrem Aussehen nicht viel Unterschied. Ich kam bald an den verwunschenen Lubosiner See, auf dem meine Mutter des öfteren weit hinausgeschwommen war – sehr zu meiner Sorge damals als kleiner Junge.

Den See habe ich aber auch in guter Erinnerung, da ich als Sechsjähriger im Sommer am späten Nachmittag die großen, ruhigen Arbeitspferde mit in die Schwemme reiten durfte – im Spagatsitz und mich mit den Händen in der dicken, wuscheligen Mähne festhaltend. Im Stall angekommen, kletterte ich mit in die Krippe, aus der die Pferde mit einem Hafer, Kleie- und Häckselgemisch gefüttert wurden. Ich fand den Geruch, den warmen Atem, das mahlende Kaugeräusch, das gelegentliche Schnauben, wobei ich des öfteren eine “Häckseldusche” mit abbekam, einfach herrlich! Wenn meine Mutter mich abends suchte, wußte sie immer, wo sie mich mit Sicherheit finden konnte. Dieselben treuen Arbeitspferde zogen in der letzten Januarwoche 1945 auf der Flucht vor den Russen die schweren Treckwagen bei eisigen Temperaturen (weit unter null Grad) durch die tief verschneiten Wege – leider nur die ersten Tage. Durch Tieffliegerangriffe verloren wir nämlich alle Pferde und unseren ganzen Besitz, außer den zwei zuverlässigen Trakehnern vor unserem leichten Jagdwagen. Ich werde das Bild dieser Pferde nie vergessen, wie sie frühmorgens bei tiefem Frost, den Atem wie Dampflokomotiven aus den Nüstern ausstoßend, die schweren Wagen durch den tiefen Schnee zogen. Das gab mir das Gefühl der Sicherheit – mit diesen Pferden kommen wir überall durch.

Ich bin Siegfried und Elisabeth dankbar für ihr “geduldiges Ohr” und für ihre großzügige Beteiligung an den Taxikosten. Wir waren immerhin drei Stunden unterwegs und sind etwa 100 km gefahren, wofür uns der verständnisvolle Taxifahrer einen sehr fairen Preis machte. Nach diesem für mich bewegenden Tag übernachteten wir zum letzten Mal in Polen in unserem Novotel Hotel in Posen. Hier mußten wir uns von unserer immer freundlichen, umsichtigen und sehr guten Reiseleiterin, seit Stettin durch ganz Polen, Frau Yvonne Lewandowski, verabschieden. Sie sprach außer polnisch und russisch, ein akzentfreies deutsch.

27. 7. An diesem Tag wurde die gesamte Rückreise von Posen über Frankfurt/Oder und Berlin bis nach Butzbach in der Nähe von Frankfurt/Main bewältigt.

Bei dieser Gelegenheit will ich unserem Busfahrer, Herrn Manfred Zietz aus Euskirchen, ein ganz großes Lob aussprechen für die Art und Weise, wie er uns, immer ausgeglichen, ruhig und sicher, über die fast 4000 km lange Strecke gefahren hat. Ich wurde wieder sehr liebevoll von Siegfried und Elisabeth in ihrem urgemütlichen Haus in Butzbach aufgenommen – meine letzte Nacht in Deutschland.

28. 7. Der Tag verging mit Erzählen, Packen und letzten Einkäufen in Butzbach, wo ich in einer Buch-handlung sogar eine sehr gute Straßenkarte von Posen und Umgebung (Warthegau/Westpreußen) mit Eintra-gungen Karlshöhe und Lubosin fand. Um 19:00 gings dann ab zum Frankfurter Flugplatz zu meinem Air Namibia Flieger nach Windhoek. So endete meine - rundherum - schöne und erlebnisreiche Deutschland/ Polenreise.

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August 2008 Wenige Tage nach meiner Heim-kehr in Namibia startete ich mit fünf Gästen aus Deutschland auf eine dreiwöchige (2. – 20. 8.) Tour in den Norden und Nordosten des Landes. Die Route: Windhoek – Waterberg – Popa Fälle – Mahango Wildpark – Kwando – Chobe in Botswana – Victoria Fälle in Zimbabwe – und zurück durch den Caprivi – Etoschapfanne – Mount Etjo – Windhoek, eine Gesamtstrecke von 4500 km. Es war eine herrliche und erlebnisreiche Tour. Die Gäste : Maria Staacke, die ich ja von einer früheren Tour schon kannte und auch in Deutschland besucht hatte, ihrer Schülerin/Freundin Susanne und das Zahnarztehepaar Eckhard & Anneli Lütgens mit ihrem erwachsenen Sohn Maxi, alle aus Dahlenburg (110 km südöstlich von Hamburg).

Eine besondere Begebenheit im Bwabwata National Park im Caprivi will ich hier herausgreifen. Am Freitagnach-mittag (8. Aug.) starteten wir um 16 Uhr von der traumhaft schönen und idyllisch am Kwando gelegenen Susuwe Lodge zu einer Wildpirschfahrt. Kurz vorher hatten wir in der Ferne ein paar Schüsse gehört und uns nichts weiter dabei gedacht, da sich in ein paar Kilometern Entfernung die “Fort Doppies”- Militärbasis befindet und dort vielleicht ein Übungsschießen abgehalten wurde. Wir fuhren in Richtung Süden im Bwabwata Nat. Park, westlich des Kwando, auf einer kleinen Sandpad. Gegen 17 Uhr stießen wir direkt neben der Pad auf einen toten, etwa 18 Jahre alten Elefanten mit einer frischen Schußwunde im Kopf.

Die Vermutung lag nahe, daß hier gewildert wurde. Wir setzten unsere Wildpirschfahrt fort bis zum “Horse Shoe Bend” am Kwando, um unseren “Sundowner” zu genießen. Derweil wir mit unseren Drinks beschäftigt waren, kamen zwei Toyota Landcruiser Geländewagen mit grünen GRN-Nummernschildern (Naturschutz-fahrzeuge der Regierung) mit einigen bewaff-neten Naturschutzbeamten des Weges, die ich anhielt, um ihnen von dem toten Elefanten zu berichten. Auf dem einen Landcruiser lag ein toter Büffel. Ja, sie wüßten von dem toten Elefanten. Er hätte eins ihrer Autos auf dem Hinweg angegriffen und beinahe umgeworfen. Sie hätten ihn aus Notwehr erschießen müssen. Ich ging um die beiden Fahrzeuge herum, um mir den Büffel anzusehen und natürlich auch, um nach eventuellen Beulen an den Autos zu suchen. Als ich davon nichts entdecken konnte, forderte ich die Beamten auf, mir doch die Stelle zu zeigen, wo der Elefant den Wagen gerammt hätte. Darauf zeigte mir einer der Leute eine kleine, längst verrostete Beule unter der Ladefläche. Als ich anzwei-felte, daß so eine kleine Beule unter der Ladefläche von dem Elefantenangriff herrühren könnte, lachten sie und erzählten mir, daß sie selbst den Elefanten und auch den Büffel für ein Häuptlingsfest in den nächsten Tagen geschossen hätten. Sie müßten auch noch einen zweiten Büffel, eine Giraffe und ein Flußpferd für denselben Anlaß schießen. Sie luden mich herzlich ein, an der großen “Party” teilzunehmen, was ich leider ablehnen mußte, da wir laut unserem Tourplan schon am nächsten Tag in Richtung Viktoriafälle weiterfahren mußten. Ich fand es unerhört, daß Wildschutzbeamte (Gamewardens) in einem Wildschutzpark jagen. So beschloß ich, mit Maxi einen entsprechenden Artikel in seinem Namen (Gast in Namibia) an die Zeitung zu schicken. Dieser Artikel er-schien kurz darauf in der “Allgemeinen Zeitung” in Windhoek. Wenige Tage danach dementierte die Ministerin für “Environment and Tourism”, Netumbo Nandi-Ndaitwah, unsere Darstellung der ganzen Angelegenheit – auch in der A–Z – heftig und behauptete, daß sie sich selber im Caprivi informiert hätte. Sie wäre überzeugt, daß die Beamten aus Notwehr geschossen hätten. Es sei auch nicht wahr, daß hier Fleisch für das Häuptlingsfest geschossen wurde. Damit war die Angelegenheit erledigt.Eine kleine weitere, allerdings amüsante Begebenheit, ereignete sich während unseres “Sundowners” am “Horse-shoe Bend”, bekannt für seine vielen Elefanten. Maria mußte mal verschwinden. Ich warnte sie, daß sie sich wegen der Elefanten nicht zu weit von uns entfernen sollte. Sie “verschwand” dann hinter einem dicken, am Boden liegenden Baumstamm, wo wir nur noch ihren Haarschopf sehen konnten. Plötzlich sprang sie auf, lief, ihre Jeans-hose festhaltend, sehr eilig in unsere Richtung, gefolgt von einem grauen Riesen, der allerdings nur ans Wasser wollte! - Allerseits großer Jubel!

Auf unserem weiteren Weg ging es nach Katima Mulilo. Hier wurde vor vier Jahren eine Autobrücke über den Zambezi nach Zambia gebaut.

Die Katima Mulilo Brücke über den Zambezi nach Zambia (Namibian Bridge Register Nr. 508). Der Grund für den Bau der Brücke war, den Walvis Bay Hafen über den Trans-Caprivi-Highway Corridor mit Zambia (Lusaka), dem Congo (Lubumbashi, das frühere Elisabethville) und Zimbabwe (Harare) zu verbinden. Namibia qualifizierte sich für ein Darlehen (“soft-loan”), rückzahlbar über mehrere Jahre zu einem günstigen Zinssatz bei der “Kreditanstalt für Wiederaufbau” (KfW) in Deutschland. Zambia hingegen qualifizierte sich als LDC (“least developed country”) für eine Schenkung bei der KfW, die Ende 1998 genehmigt wurde. Anfang 1999 wurden jedoch alle Gelder eingefro-ren, da Zambia noch alte Schulden an Deutschland ausstehend hatte. Dr. Klaus Dierks, Namibias Vize-Verkehrs-minister, flog daraufhin sofort zu Verhandlungen nach Deutschland und konnte die KfW mit dem Argument, daß es “nicht fair sei, Namibia für die Sünden Zambias zu bestrafen”, überzeugen. Die Brücke wurde dann von den beiden Firmen “German Hoch Tief” und “Concor South Africa” auf den Basalt Felsen der Katima Stromschnellen, nur wenige Meter innerhalb Zambias Hoheitsgebietes erbaut für den Betrag von US$ 10 Mill. (N$ 100 Mill.). Damit wurde dem namibischen Steuerzahler N$ 50 Mill. erspart! Die Bauzeit betrug 2 Jahre. Die Länge der Brücke beträgt 900 m mit einer Breite von 10 m. Sie besteht aus 19 Bögen @ 47 m. Die Höhe der Brücke über dem Zambezi beträgt bei Niedrigwasser 14,4 m und nur 2,6 m bei Hochwasser. Die Katima - Zambezi - Brücke wurde am 13.Mai 2004 dem Verkehr übergeben und verbindet den namibischen Grenzposten Wenela mit Sesheke in Zambia.

Katima Mulilo (2005 – ca. 50 000 Einwohner) ist die Hauptstadt und administratives Zentrum der Caprivi Region. Der Name bedeutet “Feuer löschen”, da in früheren Zeiten beim Überqueren des Zambezi an dieser Stelle der Wind das Feuer oft ausblies, das auf dem primitiven Floß mitgeführt wurde. Der Ort erstreckt sich über 10 km am Zambezi entlang. Katima ist das nord-östliche Eingangstor zu Namibia und hat ein wachsendes Industriegebiet, viele Gebäude der Regierung als auch von Privatunternehmen. Von Katima ging es weiter über die namibische Grenze bei Ngoma nach Botswana zu der sehr schönen Chobe Marina Lodge. Um 5:45 am nächsten Morgen starteten wir auf einen frühen Gamedrive und um 10:00 Uhr zu einem unvergeßlichen Bootstrip. Die Vielfalt und Menge des Wildes und auch der Vögel, die wir beobachten konnten, ist unbeschreiblich! Am frühen Nachmittag Weiterfahrt zu dem nur 11 km entfernten Kazangula Grenzposten (Botswana/Zimbabwe) und weitere 75 km zu unserem Tagesziel, dem Zambezi Nationalpark, nur 6 km entfernt von den Viktoriafällen. Nachdem wir es uns in den Bungalows, nur 100 m vom Zambezi entfernt, gemütlich gemacht hatten, ging es an das Fleischbraten am offenen Feuer. Dabei bekamen wir Besuch von drei alten Elefantenbullen – wieder von Maria angelockt ? Sie verließ die Szene fluchtartig, da ihr die nur 15 m Entfernung von den grauen Riesen doch etwas zu gering war! Allerdings muß ich zugeben, daß wir alle eilig das Feld räumten und in Deckung gingen.

An dem nächsten Vormittag besichtigten wir ausgiebig die imponierenden, rauschenden Viktoriafälle. Eine amerikanische Präsidentenfrau soll hier beim Anblick der Fälle einmal ausgerufen haben : “Poor Niagara”!

Victoria Fälle: “The smoke that thunders” 1855 von Livingstone entdeckt. Breite insgesamt 1700 m, Tiefe

100-116 m. 6 Fälle: “Devil’s Cataract” 30 m breit; “Main Falls” 515 m; “Horseshoe Falls” 290 m breit; “Rainbow Falls”; “Armchair Falls” und “Eastern Cataract” (Zambia Seite). Engster Punkt der Schlucht 60 m. Vergleichsweise sind die Victoria Fälle doppelt so tief und 1½ mal so breit wie die Niagara Fälle in Nord Amerika. Die Brücke über den Zambezi (Eisenbahn, Straße und Fußgänger), erbaut 1905, ist 200 m – und der Hauptbogen 150 m lang; die Höhe über dem Niedrigwasserstand beträgt 128 m.

Die Crocodile Ranch verfügt über etwa 2000 Exemplare in jeder Größe, von 50 cm – 4,5 m Länge.

Am nächsten Morgen hieß es Abschied nehmen von Vic.Falls und Zimbabwe. Nachdem wir Botswana durchquert hatten, erreichten wir bei Ngoma die Grenze nach Namibia und unser schönes Quartier, die Mazambala Lodge am Kwando. Die weiteren Stationen waren die Ngandu Lodge am Stadtrand von Rundu (mit seinen über 70 000 quirligen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Namibias), die Muramba Bushman Trails Farm von dem Buschmannexperten, Reinhard Friederich, mit seinem hochinteressanten Vortrag und der Farmrundfahrt, Besuch der Ombili Stiftung mit der Buschmannschule auf Farm Hedwigslust und die Etosha Aoba Lodge (15 km östl. Namutoni). Eine ganztägige Wildpirschfahrt führte uns durch die ganze Etoschapfanne – Namutoni – Halali – Okaukuejo.

Der Etoscha Nationalpark im Norden Namibias zählt zu den schönsten Naturschutzgebieten Afrikas. Bereits im Jahre 1907 hatte Gouverneur von Lindequist Etoscha zu einem Naturschutzgebiet erklärt und zwar auf einer Fläche, die viermal größer war als es der heutige Nationalpark ist. Der Park erstreckt sich über ein Gebiet von 22 912 km². “Etoscha” bedeutet “Großer weißer Platz.” Die Pfanne (Länge 110 km und an der breitesten Stelle 60 km) ist meistens trocken, außer nach schweren Regenfällen. Im Süden gibt es zahlreiche permanente Quellen, die eine große Anzahl von Tieren und Vögeln anlocken, z.B. große Herden von Springböcken, Oryxantilopen, Zebras, Gnus und Impalas, außerdem etwa 1500 Elefanten, 1800 Giraffen, 300 Löwen, Leoparden, Geparden und 300 Spitzmaul-nashörner sowie über 300 Vogel- und etwa 110 Reptilienarten.

Fort Namutoni, (in Ovambo “erhöhter Platz” oder “Ort, den man von weitem sehen kann”) liegt an einer immer wasser-führenden Quelle, und wurde 1897 als Polizeistation und Grenzposten gegründet, um als Absperrlinie gegen die Rinderpest zu dienen und um den Handel, der nach Ovamboland lief, zu kontrollieren. Am 28. Januar 1904 überfielen 500 Ovambo, teilweise mit Gewehren bewaffnet, das Fort, welches von nur 7 Deutschen tapfer verteidigt wurde. 68 Ovambo fanden dabei den Tod und 40 wurden vermißt. In der Nacht konnten sich die Schutztruppler absetzen. Die Ovambo plünderten und zerstörten am nächsten Tag das Fort völlig. Das Fort Namutoni wurde dann aber 1905-1907 neu aufgebaut. Im Ersten Weltkrieg diente das Fort zunächst der Unterbringung Kriegsgefangener, bis es 1915 an die Südafrikaner übergeben werden mußte. 1957 wurde das Fort restauriert, zum historischen Denkmal deklariert und dient seitdem als Rastlager.

In dem Rastlager Halali (Hornsignal: “Die Jagd ist aus”) führt ein kurzer Wanderweg auf eine kleine Dolomitkuppe zu dem sehr lohnenden “Moringa”- Aussichtspunkt inmitten von u.a. Mopane-, Moringa- und Blutfruchtbäumen. Von hier oben kann man sehr gut Tiere an einer des nachts beleuchteten Wasserstelle beobachten.

Okaukuejo (“Frau, die jedes Jahr ein Kind bekommt”) war ursprünglich ein deutscher Grenz / Polizeiposten und wird wegen der nachts mit Flutlicht beleuchteten Wasserstelle gern besucht. Das Rastlager hat einen hohen Wasser-turm, von dem aus man vor allem bei Sonnenuntergang einen herrlichen Blick auf die Etoschapfanne genießen kann. Okaukuejo ist die Hauptverwaltungsstelle des Etoscha Nationalparks.

Nach einem abermals “wildreichen” Tag erreichten wir kurz nach Sonnenuntergang die Toshari Lodge, auch Etosha Gateway Lodge genannt (44 km südl.Okaukuejo). Eine große Überraschung erwartete mich am nächsten Morgen! Es war mein 70. Geburtstag. In der Lapa hatten die Angestellten der Lodge und meine “Mannschaft” die Frühstückstafel sehr liebevoll geschmückt mit vielen Blumen, Kerzen, einer Geburtstagstorte, einer Flasche roten Sekt, gemalten Geburtstagsglückwünschen und einem von Maxi gemalten großen, bunten Gutschein für eine Fotozusammenstellung unserer Tour. Mit dem “Happy Birthday”- Lied, gesungen von der gesamten Belegschaft und unseren Leuten, wurde ich begrüßt. Nach unserem Sektfrühstück überließ ich den Rest der Geburtstagstorte den Mädchen in der Küche, was mit großem Jubel quittiert wurde. In der sehr schönen Mount Etjo Safari Lodge wurde nach einem Gamedrive und Löwenfütterung weitergefeiert. Diese erlebnisreiche Tour endete am nächsten Abend mit einem Abschiedsessen auf der Terrasse des Hotels Thule hoch über der Stadt Windhoek.

Selbstverständlich mußten wir meinen 70sten auch innerhalb unserer Familie feiern. So gab es drei Tage später in der Omaruru Game Lodge ein Familientreffen mit vierzehn namibischen Ludwigers. Renate hatte alles sehr liebevoll und bestens organisiert mit einer tollen Festschrift mit vielen Fotos über mein Leben. Die Festschrift wurde von den diversen Familienmitgliedern (immerhin 14 an der Zahl – sogar Reinhard war von Kapstadt eingeflogen), musikalisch untermalt, bei Kerzenlicht vorgetragen – vor der Kulisse einer beleuchteten Wasserstelle, wo im Wechsel viele Wildtiere zum Trinken kamen. Für mich ein ergreifendes, unvergessliches Erlebnis. Mir wurde wieder einmal bewußt, wieviel Grund zu Dankbarkeit ich habe für ein streckenweise doch recht bewegtes Leben.

Von den vier langen Touren, die ich von Anfang September bis Ende November geführt habe, möchte ich nur den ungeplanten, aber für mich besonders lehrreichen Besuch auf dem Weingut Neuras (40 km südl. Büllsport) von Allan & Sylvia Walkden-Davis herausgreifen. Meine Gäste waren die Ehepaare Frank & Martina Domann, Olaf & Gudrun Pietsch und Hans-Jürgen & Petra Jesche. Es war eine immer fröhliche und interessierte Gruppe, die sich von ver-schiedenen gemeinsamen Reisen schon gut kannten. Da Neuras auf unserer Route südlich der Naukluft und am Rand der Namib liegt, konnte ich meine Gäste gleich für eine geführte “Weintour” (Naturlehrpfad) mit anschließender Weinprobe begeistern. Am Tor wurden wir von drei schönen Deutsch-Kurzhaar (German Pointer) Hunden begrüßt. Allan Walkden-Davis arbeitete 31 Jahre für die Shell Co. in Südwestafrika, später Namibia, bis zu seiner Pensio-nierung. Frank, selber in Deutschland für Shell in leitender Position tätig, entdeckte sofort auf dem Farmhof eine, jetzt schon historische, handbetriebene Benzinpumpe. So stimmte augenblicklich die Chemie zwischen Frank und Allan! 1996 konnte er Neuras von dem Karakulfarmer, Herrn Landsrath, kaufen. Allan hat im Laufe seines Lebens das Land lieben gelernt und wollte sich hier zur Ruhe setzen, aber nichts lag dem betriebsamen Mann ferner als die “Ruhe”. Der Name Neuras bedeutet, “Der Platz mit dem vielen Wasser”. Tatsächlich gibt es auf der Farm fünf Quellen, wovon eine in der Nähe des Farmhauses ganzjährig stark fließt.

Es ist eine verwunschene, von Palmen und Ried umsäumte, natürliche Quelle mit kristallklarem, kühlen Wasser. 1894 benutzte die Schutztruppe schon dieses wertvolle Wasser. Allan entdeckte in der Nähe der Quelle einige alte Weinstöcke in einem Teil des alten Gartens . Da kam ihm die Idee, auf dem kalkhaltigen Boden auch Wein anzubauen. Als Perfektionist ließ er Fachleute aus Südafrika kommen, die ihn in seinem Vorhaben nicht nur bestärkten, sondern auch guten Rat gaben.

1997 pflanzte Allan die ersten Shiraz- und Merlot-Weinstöcke, und 2001 konnten die ersten Trauben geerntet werden. 2002 wurde der erste, unfiltrierte, sorgfältig von Hand gemachte “Neuras Namib Red” und ein trockener “Neuras Dry Rosé” produziert. Inzwischen sind es etwa 1500 Shiraz- und 200 Merlot-Weinstöcke auf einem Hektar Land, rein organischer (bio-dynamischer) Anbau, d.h. es werden keinerlei Insektizide benutzt. Die heutige Produktion beträgt etwa 2000 - 3000 Flaschen pro Jahr.

Wein braucht viel Sonne. Die heißen Tage und heiße Sonne schaden den Trauben nicht, solange sie nachts abkühlen können. Um die Trauben vor den Vögeln zu schützen, wurde durch das Überspannen von speziellen weißen Netzen Abhilfe geschafft, denn sonst wäre die Ernte gleich null. Im Sommer steigt die Tagestemperatur bis zu 38°C, aber nachts bringt der periodisch auftretende Westwind vom Atlantik Abkühlung bis etwa 16°C. Die Tag- und Nacht-Temperaturschwankungen bekommen dem Wein sehr gut. Sie geben dem Wein die nötige Säure und das besondere Aroma und den Geschmack.

Im Winter sinken die Temperaturen häufig bis auf 8°C. Es gibt tatsächlich gelegentlich Frost, aber das schadet den Rebstöcken nicht. Im Gegenteil, dadurch verlieren sie ihre Blätter und haben dann eine Ruhezeit, bis es wärmer wird und die Pflanzen wieder ausschlagen. Diesen Zeitpunkt muß man ganz vorsichtig abwarten, denn kurz vorher müssen die Rebstöcke beschnitten werden. Kommt aber Spätfrost, z.B. im Oktober, wenn schon sehr viel Wachs-tum stattgefunden hat, richtet der Frost großen Schaden an. Dadurch ging vor einigen Jahren 75% der Ernte verloren. Die Rebstöcke wuchsen wohl wieder nach, konnten dann aber die Hitze im Januar/Februar nicht vertragen und somit die Trauben nicht zur Reife bringen. Im Idealfall braucht der Wein 750 mm Regen pro Jahr. Wenn die Trauben aber erst im letzten Reifestadium Regen bekommen, platzen sie. Hier spielt das Klima also eine große Rolle. Da Neuras meistens erst Ende Februar Regen bekommt, werden die Trauben schon Anfang Februar geerntet oder gelesen. Neuras bekommt im Durchschnitt aber nur 100 mm und in manchen Jahren gar keinen Regen. Deswegen mußten Bewässerungsrinnen angelegt werden, die schon aus den 1890er Jahren stammen. Ernst Hermann hatte hier bereits für die Schutztruppe Gärten angelegt. Sie wurden über die Jahre durch verschiedene Eigentümer für Gemüse, Blumen und Luzerne benutzt. Jetzt werden die Weingärten durch die gleichen Rinnen bewässert.

Nach der sehr informativen Führung zur Quelle, den Weingärten, dem Weinkeller, wo der Wein erst in Gärtanks aus rostfreiem Stahl und weiter in den herkömmlichen Weinfässern aus französischer Eiche reift, beendeten wir unseren Besuch mit einer sehr gemütlichen Weinprobe mit Käsehäppchen. Der Wein sollte am besten relativ jung bei einer Temperatur von 16-19°C getrunken werden. Einstimmig wurde beschlossen, bald wiederzukommen!

Dann “hagelte” es mehrere erlebnisreiche Touren, hauptsächlich in den Caprivi und Botswana bis Dezember, mit jeweils nur wenigen Tagen zwischen den Touren zu ihrer Vorbereitung.

Nun zu meinen Nackenschlägen! Schon im Mai hatte ich im Blut erhöhte PSA–Werte (Prostate Specific Antigen). Eine Prostate Biopsy + Cystoscopy wurde unter Vollnarkose in Swakopmund vorgenommen, erfreulicherweise mit negativem Resultat. Nach 10-tägiger Antibiotika-Behandlung war der PSA-Wert wieder normal.

Als dann aber am 2. Dez. der PSA-Blutwert wieder erheblich erhöht war, schickte mich der Swakopmunder Urologe nach Kapstadt, wo am 19. Dez. im Panorama-Hospital eine Sonar Biopsie/Scan, wieder unter Vollnarkose, gemacht wurde.

Dann fuhren wir weiter über George und Wildernis bis nach Sedgefield – eine herrliche Landschaft mit großen Wäldern, dem Meer an der einen und hohen Bergen an der anderen Seite. In dem gemütlichen Holz-Ferienhaus, das Renates Schwester Ingrid gehört, feierten wir Weihnachten mit Reinhard, der mit noch zwei Freunden aus Kapstadt gekommen war.

Dann allerdings war es aus mit den wenigen Ferientagen. Ich zog mir am 28. Dez. einen Leistenbruch zu – total überflüssig! Zwei Tage später trat ich in George früh um 6 Uhr zur Operation an. Als ich dem Chirurgen sagte, daß ich täglich ein Blutverdünnungsmittel (Plavix-Clopidogrel) nähme, schlug er die Hände über dem Kopf zusammen – unmöglich zu operieren – ich würde unterm Messer verbluten, da es für Plavix kein Gegenmittel gibt. Nun ja, das wollten wir beide nicht.

Plavix wurde sofort abgesetzt. Am 2. Jan. 2009 früh ließ der Blutgerinnungswert eine Operation zu, die dann auch gleich ausgeführt wurde – natürlich wieder unter Vollnarkose. Der Schnitt von genau 10 cm war nach meinem Geschmack etwas reichlich lang. Erfreulicherweise wurde ich schon nachmittags, nur mit Pflaster (ohne Nähte) wieder entlassen.

Am 6. Jan. bekam ich aus Kapstadt den Bescheid der Sonar Biopsie: Prostate Carcinoma pos.(!!) auf der Skala 7 von möglichen 10, also bösartiger Krebs. Zwei Tage später (8.1.) mußte ich wieder ins Hospital, wo ein Radio-Isotope-Bone-Scan (Flickergram) gemacht wurde, um festzustellen, ob die Krebszellen schon bis in die Knochen vorgedrungen sind. Der Befund war erfreulicherweise negativ – nur zeigte er an vielen Stellen massive Arthritisansätze auf – aber das ist noch Zukunftsmusik.

Mit einem Urologen (Spezialist) in George, Dr. Johann Bahlmann, haben wir die verschieden Möglichkeiten der weiteren Behandlung besprochen. So landete ich drei Tage später (12.1.) wieder auf dem Operationstisch zu einer Lymphadenectomy: hierbei werden alle Lympfknoten um die Prostatdrüse entfernt und anschließend pathologisch auf mögliche Krebszellen untersucht. Auch dieser Befund war negativ – good news!! Das bedeutet, daß sich der Krebs mit etwa 95% iger Sicherheit nur innerhalb der Prostatkapsel befindet, der später mit einer weiteren Operation (Brachytherapie) behandelt werden muß. Die Operationswunde der Lymphadenectomy wurde mit 16 Metallklammern (hakies) und Pflaster verschlossen.

Ich wurde erst am übernächsten Tag aus dem Hospital entlassen, aber fühlte mich doch recht “angeschlagen”! Nach nur zwei Tagen der wirklich nötigen Erholung in Wildernis (20 km entfernt von George) in einer bezaubernd schönen, grünen Berglandschaft, traten wir die lange Rückfahrt – über 2500 km – nach Namibia an. Wir konnten leider nicht länger bleiben, da unsere Visa sonst abgelaufen wären. Unterwegs mußte ich etwa alle 2 Stunden eine kleine Strecke laufen auf Verordnung des Arztes.

Nach 6 Wochen flog ich nach George zu einer Brachytherapy (Operation). Das ist eine Technik der Prostatkrebsbehandlung, wobei eine Reihe winziger “radioactive seeds” (Stäbchen 10 mm lang und 0,8 mm breit) unter Vollnarkose sehr akkurat in die Prostata implantiert werden, wodurch die Krebszellen – hoffentlich volltändig – vernichtet werden!

Jetzt kann ich das Neue Jahr mit frischer Kraft anpacken.

Falls Ihr etwas über unsere Kinder und Enkel erfahren wollt, findet Ihr dies auch im Internet unter www.ludwiger.com

Ich wünsche Euch ein gesegnetes Jahr 2009!

Mit vielen lieben Grüßen

Euer Friedhelm