März 2012

Finkenstein Estate, den 25. März 2012

Liebe Familie und Freunde!

„Was sind wir doch, was haben wir

auf dieser ganzen Erd,

das uns, o Vater,

nicht von dir allein gegeben werd?“

(Paul Gerhard)

In großer Dankbarkeit dürfen wir euch dieses Rundschreiben jetzt von unserem neuen Zuhause in der Natur senden J! Seit dem 28. April 2011 wohnen wir 12 km östlich von Windhoek, knapp 20 Minuten Autofahrt, auf einem Landgut, das in 222 ein-Hektar-große Grundstücke verteilt ist: Finkenstein Estate, siehe www.finkenstein.org.

Wir genießen das Wohnen hier draußen in vollen Zügen und SO SEHR, dass wir gar nicht mehr mal wegfahren wollen. Mich (Birgit) überwältigt manchmal fast die Dankbarkeit und Freude über das große Vorrecht jetzt hier wohnen zu dürfen... Die Schönheit um uns herum ist atem-beraubend, es ist fast wie ein Stückchen Himmel hier draußen! Wir sind beschenkt mit einer wunderschönen Aussicht! Unser Grundstück grenzt an der Westseite direkt an die Wildfarm Moltkeblick. Somit sehen wir regelmäßig Kudus, Wasserböcke, Springböcke, Impalas usw. von unserem Haus aus vor uns auf den Hügeln grasen. Wir haben vor Kurzem eine Wildtränke (mit Salzklippe und Molasseblock) etwa 20 m von unserer Veranda anlegen lassen, um das Wild NOCH näher zu locken. Dann sind wir natürlich umgeben von der schönen, einheimischen namibischen Busch- und Graslandschaft mit ihrer Vielfalt an Vögeln. Die Ruhe und Stille hier und die gute Luft (wir liegen 1935 m über dem Meeres-spiegel und 230 m höher als Windhoek) ist ein Balsam für Körper und Seele. Wir können wirklich nur alle, die Freude an der Natur haben, und denen es möglich ist, sagen: Kommt und wagt den Sprung in die Natur, es lohnt sich auf jeden Fall!Wir haben uns erstaunlich gut und schnell an die längeren Fahrten und eine neue Alltagsroutine gewöhnt. Für all das Schöne, das man hier draußen genießen darf, nimmt man das gern in Kauf. Die Fahrten geben auch immer wieder Gelegenheit zu guten Gesprächen.

Wir laden gern die Freunde unserer Kinder zum Spielen und Übernachten hier zu uns ein, und trotzdem zieht es besonders unsere beiden Jungs oft in die Stadt, wo sie mit ihren Freunden Skateboard und Fahrrad fahren können. Daher überlegen wir uns grad intensiv welches gemeinsame Hobby für uns als Familie hier auf Finkenstein gut funktionieren würde. Es eignet sich hier z.B. wunderbar zum Fahrradfahren (Mountain biking) und Reiten. Tabitha (9½) hat grad bei „Tierheim Stables“ mit Reitstunden begonnen, 3 km von unserem Haus entfernt. Tabitha ist sehr gern hier, fährt gern Rad, musiziert und beschäftigt sich wunderbar allein. Auch zum Ballet geht sie immer noch gern.

Andriko (fast 14) hat die Grundschule abgeschlossen und geht seit Anfang des Jahres in eine konventionelle Schule, St. George‘s College. Wir hatten schon immer den Eindruck, dass wir unsere Kinder nur während der formenden Jahre der Grundschulzeit in einer christlichen Schule behalten sollten. Dort werden biblische Werte vermittelt und auf Charakter-entwicklung geachtet. Jetzt darf „das Vöglein selber fliegen“ und auf das zurückgreifen was in ihn gelegt wurde. Wir Eltern sind noch da, um es auf seinem Weg aus der beschützten Umgebung in die Welt zu begleiten. Zur Zeit beschäftigen wir uns z.B. mit dem Thema Gruppendruck und haben gute Gespräche über Pornografie, Sex vor der Ehe, Drogen, Alkohol, dem Umgang mit dem anderen Geschlecht, Materialismus, etc. Andriko hat sich sehr gut an das neue Schulsystem gewöhnt.

Im November 2011 hat Andriko für das namibische unter-14 Inline Hockey Team als Torwart am Hong Kong Inline Hockey Cup teilgenommen. Es war ein großes, wertvolles Erlebnis für die Jungs. Hellmut und noch ein paar Eltern haben das Team mit ihrer Trainerin für diese 10 Tage nach Hong Kong begleitet. Auf dem Foto rechts ist er in voller Montur zu sehen.

Danilo (fast 12) hat, was das Inline Hockey betrifft, auch große Ambitionen. Er geht sehr treu und regelmäßig zum Training und macht gute Fortschritte. Er trainiert auch zusätzlich bei unter-14 und unter-16 mit.

Hellmut hat sich Anfang 2011 von allen ehrenamtlichen Aufgaben beurlauben lassen, da der Bau uns SEHR VIEL abverlangt hat. Auch in unserer Gemeinde haben wir uns als Älteste eine längere Auszeit erbeten. Es wurden neue Älteste berufen und wir sind sehr dankbar nicht mehr so viel Verantwortung tragen zu müssen.

Schade, dass wir mit der Behandlung so lange gewartet haben. Schade, dass man sich viel zu lange sagt: Ich pack das schon, es geht auch wieder von selber weg, reiss dich nur noch ein bisschen mehr zusammen, du bist doch kein Weichling... Schade, dass die Unkenntnis über Antidepressiva ihnen solch ein negatives Stigma gibt... Das Resultat ist, dass viele Menschen unnötig leiden. Wie schade, dass man glaubt, dass es richtig sei, den Körper medizinisch zu behandeln, aber das seelische Wohlbefinden, das maßgeblich durch die Chemie im Gehirn gesteuert wird, das sollte man mit Selbsthilfeprogrammen, Entspannungs-übungen, mit gesünderer Ernährung, Seelsorge, Psychotherapie und Gebet selbst in den Griff bekommen. Man solle sich ‚einfach‘ nur in Dankbarkeit üben und die falschen Denkmuster mit richtigen ersetzen. Man solle sich für die Lebensfreude entschließen und Gott mehr vertrauen... Das Meiste hiervon hat Birgit über die letzten 30 Jahre ausprobiert... Patentantworten sind halt im seltensten Falle wirklich eine Antwort und Hilfe! Wir wünschen uns durch unsere Offenheit hierüber, dass gerade auch wir Christen uns Gedanken über unsere Vorurteile diesbezüglich machen. Eine Patentantwort und das Ablehnen einer medizinischen Behandlung, die durchaus helfen könnte, ist lieblos. (Es ist wie wenn wir einem Sterbenden sagen würden, er müsse nur mehr glauben um gesund zu werden, obwohl es Medizin gibt, die ihn gesund machen könnte. Ist sein Lebenskampf nicht schon groß genug? Müssen wir ihm das auch noch aufbürden, dass er im Grunde selbst dran Schuld sei, dass es ihm nicht gut geht?) Möge Gott uns helfen, Seine Perspektive in allen Lebenssituationen zu bekommen.

Am 13. August 2010 verunglückte auf tragische Weise ein befreundetes Ehepaar: Phillemon (Kavango) und Rusilla (Damara) Kamwanga waren unterwegs in den Norden, um dort in einer Gemeinde ein Seminar anzubieten, als der Minibus mit einem LKW frontal zusammenstieß und 7 der Insassen verbrannten. Ihr einjähriger Sohn Phillemon (genannt Philli) war in Windhoek zurückgeblieben. Nach viel Gebet und Überlegen hatten wir den Eindruck, dass wir Philli in unsere Familie aufnehmen möchten. Leider waren uns die Sozialarbeiter in diesem Prozess keine Hilfe. Obwohl Phillis Großmutter Alkoholikerin ist und sogar einen Alkoholausschank (Shebeen) auf ihrem Grundstück betreibt, meinte das Sozialamt: Philli hätte ja wenigstens eine Oma, die nach ihm schauen würde... Wir versuchten trotzdem, so gut es ging die Beziehung zu Philli und seinen Großeltern in Rehoboth zu pflegen. Ende 2011 willigten die Großeltern ein, uns das Pflegerecht für Philli zu übergeben. Wir bereiteten uns intensiv auf sein Kommen Anfang Dezember vor. Wir ersetzten z.B. unter anderem deshalb unseren Pajero mit einem zweiterhand VW Bus um alle Kinder anschnallen zu können, usw. Doch dann machten die Großeltern plötzlich einen Rückzieher... Es war besonders für Birgit nicht leicht, das alles einzuordnen und zu verarbeiten... Inzwischen haben wir diese Sache Gott ganz und gar abgegeben, und vertrauen und beten, dass Gottes Plan für Philli in Erfüllung gehen wird, egal ob mit oder ohne uns.

Aus vorigen Rundbriefen wisst ihr, dass wir viele Jahre nach einem Plätzchen außerhalb Windhoeks Ausschau gehalten haben. Als 2007 die Reklame für Finkenstein Estate in der Zeitung erschien, wusste Hellmut ziemlich bald, dass das die Antwort für seine frustrierte Frau in der Stadt sein würde. 2009 brachten wir unsere Ideen für ein Haus zu Papier und gaben sie dann einem Architekten, um sie professionell zu verarbeiten. Ende Mai 2010 fing der Bau mit einem Bauunternehmer an, der sich vertraglich festgelegt hatte, unser Haus in 6 Monaten fertigzustellen. Nach 11, zunehmend albtraumartigen Monaten sind wir am 28. April 2011 in ein unfertiges Haus eingezogen, in dem sich noch

Wir üben und lernen grad das Ruhen; es fällt uns nicht leicht, und wir erleben jetzt wie gut es tut, zu entspannen und einfach auch mal nur zu genießen. Wir sind beide Erstgeborene mit einem stark ausgeprägten Verantwortungsbewusst-sein und neigen zu einem übertriebenen Leistungsdenken. Schon als wir vor 18 Jahren geheiratet haben, haben wir oft zum Jahreswechsel festgestellt: Es muss sich bei uns etwas ändern, wir können nicht ständig so weiter ‚powern‘...

Letzes Jahr wurden wir nach unvorstellbarem Ärger und Stress mit unserem Bauprojekt dazu gezwungen, leiser zu treten. Birgit erlitt Anfang 2011 einen Burnout. Danach noch zwei Kleinere. Es ging ihr immer schlechter. Sie konnte den Alltag nicht mehr meistern, war komplett überwältigt von auch nur den kleinsten Aufgaben. Birgit bekam immer häufiger Panikattacken. Schwermütigkeit, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit überschatteten ihr Dasein und raubten ihr den Lebensmut. Nach viel gutem Zureden von Sigi (Birgits Schwägerin, die Ärztin ist), Birgits Mutter, Hellmut und einem uns sehr nahe stehenden Pastor, haben wir im September 2011 endlich medizinische Hilfe in Anspruch genommen. Sie bekam Antidepressiva verordnet. Sie zeigte keine sofortige Wirkung, aber jetzt nach 6 Monaten der Behandlung geht es ihr schon viel besser. Gemütsschwankungen kommen nur noch gelegentlich und mit verminderter Intensität vor. Wir sind von Herzen dankbar und erleichtert! Sie schläft wieder gut, hat ein viel geringeres Schmerzempfinden, weniger PMS und weniger körperliche Beschwerden. Der Lebensmut und die Lebensfreude sind zurückgekehrt und sie meistert wieder den Alltag. Die einzige negative Auswirkung der Medikamente ist ein noch gesünderer Appetit und dadurch leider die wachsenden cm und kg..., was aber zweifelsohne das kleinere Übel ist.

3 weitere Monate täglich 10-15 Handwerker aufhielten. Da Einiges falsch oder schlecht gemacht war und der Bauunternehmer sich nicht mehr blicken liess, baten wir später zwei der Handwerker an Wochenenden einiges zu korrigieren. Die beiden arbeiteten noch bis Ende Februar regelmäßig hier. Tja, das alles war eine große Herausforderung für uns. Wir haben in dieser Lebensschule jedoch auch wieder viel dazu gelernt und nach all dem Ärger sind wir jetzt um so dankbarer für unser schönes Haus in dieser herrlichen Umgebung.

Wir wollten von Anfang an gern diesen Segen teilen. So entstand die Idee, hier auch ein kleines, separat stehendes 2-Bett Gästehäuslein zu bauen, das wir gern für Familie und Gäste bereitstellen. Wir wollen es jedoch auch ganz bewusst Gemeindeleitern und Mitarbeitern zur Verfügung stellen. Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie erschöpft und ausgelaugt Mitarbeiter im Reich Gottes werden können und wie wohltuend eine Auszeit in der Natur sein kann. Man kann komplett selbstversorgend sein. Ein Anruf genügt, und wenn das Gästehaus frei ist, darf man kommen J.

Herzlich grüßen eure Hellmut und Birgit mit Andriko, Danilo und Tabitha